Adel an Rhein und Ruhr
Eine Ausstellung im Essener Ruhr-Museum in der "Kohlenwäsche"
In
der etablierten Weimarer Republik durchfuhr die Reiseautorin Else
Frobenius das Ruhrtal mit einer Kraftdroschke und berichtete davon im
Jahre 1927 in einer österreichischen Zeitung, ausgehend ihrerzeit von
einer Betrachtung der aristokratisierend erbauten Villa Hügel in Essen:
„Eine von roten Geranien umkränzte Terrasse ist dem Hause vorgelagert.
Von ihr aus zieht der Blick ins Ruhrtal, dessen sanft geschweifte Höhen
in bläulich überhauchtem Frühlingsgrün leuchten, aus dem hie und da ein
spät blühender Apfelbaum in rosigem Weiß aufstrahlt. Tiefe
Taleinschnitte leiten hinüber in das benachbarte Bergische Land. Der
gleiche Laubreichtum wie dort, die gleiche, eng an die Bergwände
geschmiegten Häuser. In schneller Fahrt geht es durch das Ruhrtal, in
Kastanienalleen voll roter Blütenkerzen. Am Flußufer liegt ein
Fachwerkbau, das ‚Kruppsche Bootshaus‘, das gleichfalls der
Allgemeinheit dient. Von hier aus zieht Essens Jugend zum Wassersport,
dem auch besondere Schüler-Bootshäuser dienen. Auf den anschließenden
Tennisplätzen haben die Mitglieder des ‚Etuf‘, des Essener Turn- und
Fechtklubs, Gelegenheit, unter außerordentlich günstigen Bedingungen
Tennis zu spielen. Das lange Oval einer Reitbahn bietet eine in ihrer
Art vollkommene Möglichkeit zum Reiten. Der Kirchturm von Werden taucht
auf – viereckig, altersgrau, mit grün leuchtendem Kupferdach. An der
Landstraße Haus Oefte – ein Schloß in englischem Stil mit
stufenförmig aufsteigenden Giebeln, von Blutbuchen, schwarzen Tannen,
blühendem Rotdorn und flammenden Azalien umrahmt, im Besitze des
Freiherrn von der Schulenburg. An der Brücke in Werden muß noch ein
Zoll entrichtet werden – drei Pfennige pro Kopf. Dann gleitet der
Kraftwagen auf dem linken Ruhrufer dicht am Wasser entlang – zur Linken
steil ansteigende, dicht belaubte Hänge, zur Rechten die Ruhr, deren
kühne Windungen man in der Ferne erkennen kann. Wieder eine Brücke. Auf
dem rechten Ruhrufer Kettwig, die berühmte Tuchstadt mit den Fabriken
von Scheidt – großen roten Kästen am Wasser; es geht aufwärts zum
Werdener Berg, auf sanft ansteigender, glatt wie Parkett gepflasterter
Straße, wo die großen Autorennen stattfinden.“ [1]
In diesem kleinen Reisebericht ersieht man gut, zwischen welchen beiden
Polen sich der Adel an der Ruhr bewegte, zwischen der Industrie
einerseits, dem ländlichen Besitz, eingebettet in die Kulturlandschaft
am Fluß, andererseits. Beides prägte den Adel der Region und der Adel
prägte ebenso die Region. Zwischen Dezember 2021 und April 2022 wurde
nun diesbezüglich in der Kohlenwäsche des Ruhr-Museums in Essen eine
Sonderausstellung gezeigt, die den Titel „Eine Klasse für sich. Adel an
Rhein und Ruhr“ trägt und sich eben jenem Adel an der Ruhr widmet, auch
Haus Oefte und den dortigen Schulenburgs. [2] Doch wird darin nicht
allein „der Adel“ an der Ruhr behandelt, also in den Städten und
Stadtumgebungen von Brilon, Meschede, Schwerte, Witten, Bochum, Menden,
Arnsberg, sondern auch die Landstriche nördlich davon. Historisch waren
dies in etwa die Territorien der Grafschaft Mark und Limburg-Styrum,
des Herzogtums Westfalen, des Vestes Recklinghausen, des Reichsklosters
Werden, des Reichsstifts Essen und der Reichsstadt Dortmund (Seite 40).
Zu diesem Thema erschienen ist außerdem im Essener Klartextverlag der
mit der Ausstellung gleichnamige opulente Katalog. [3]
Diese sachliterarische Publikation steht zudem in einer Reihe von
anderen regional betonten Adelsausstellungen der Nachkriegszeit, die
sich der Gruppenbildung „des Adels“ widmen; hier wird mithin eine
bayerische, oberschwäbische, niederösterreichische, lausitzische und
schlesische Tradition aufgenommen, jedoch in den einzelnen behandelten
Epochen gleichwertiger dargestellt, als dies in anderen Katalogen der
Fall ist. [4] Denn es sind rund 800 Exponate, die gezeigt werden, sie
stammen aus 160 Institutionen, auch von privaten Leihgebenden und sind
in dieser Zusammenstellung naturgemäß noch nie gezeigt worden.
Überhaupt ist es musealen Ausstellungen allgemein eigen, daß sie,
ähnlich wie bei schriftlichen Arbeiten, mit einer Auswahl arbeiten, die
„künstlich“ erzeugt ist. Denn in der Regel werden Exponate in Museen
aus ihren ursprünglichen Kontexten, ihren sozialen Verwebungen, ihren
materiellen und immateriellen Netzwerken, herausgelöst, sind es,
zumindest bei historischen Betreffen, indes allein schon der Zeit
wegen, weil die einst mit diesen dinglichen Aktanten ehedem
hantierenden Humanaktanten nicht mehr leben, sondern nur noch „die
Dinge“ übrig geblieben sind.
Dies hat den Vorteil, daß man sich „ein Bild“ einer Thematik machen
kann, daß aller Kontingenz, Unübersichtlichkeit, Multimodalität und
Mannigfaltigkeit eines „Wimmelbildes“ zu entgehen sucht und eine
gedankliche Ordnung in das „Chaos der Welt“, in die Welt-Erscheinungen
und -Entitäten bringen kann. Es kann daher ein „roter Faden“ entstehen,
den zu verfolgen einen bewältigbaren und daher befriedigenden Eindruck
erzeugt und hinterläßt. Dies haben sich wohl auch die
Ausstellungsmachenden der „Klasse für sich“ gedacht, die am Ende
tatsächlich einen „roten Faden“ aus vereinzelten Exponaten schufen, der
den „Adel“ symbolisiert und zeigt, woraus er – zumindest artefaktlich –
bestand. So entstand gedanklich eine Kontinuität innerhalb eines
Ideenkonzeptes von „Adel“, wo sie ehedem entweder nicht existierte oder
aber zumindest, um es vorsichtiger zu formulieren, invisibel war.
Die Erzeugung eines „roten Faden“ wird indes auch durch eine große
Verantwortung der Erzeugenden, der den Faden Webenden, begleitet; sie
ist nicht aufgehoben, nur weil eine bewußte Ding-Zusammenstellung, ein
neues Netzwerk, erschaffen worden ist. [5] Dieser „rote Faden“, den man
auch anders hätte aufnehmen können, [6] beginnt in der Ausstellung und
im Katalog mit einer Ursprungserzählung, einer Traditionserschaffung,
einem Gründungsnarrativ. Demnach wird der Beginn einer langen Tradition
bei einem Bügelfibelpaar gesetzt, welches aus dem 6. Jahrhundert nach
Christus stammte. Diese Tradition wurde dann über eine Zeitachse
chronologisch bis 2021 weitergeführt, dabei „den Adel“ zunächst als
eine Gruppe von „Menschen mit erblichen Privilegien“ (Seite 22) in
ihrer Sachkultur „verfolgend“. [7]
Eingeteilt sind Ausstellung und korrespondierender Katalog in sechs
große zeitliche Abschnitte, zusätzlich aber auch noch in zwölf
thematische Sonderabschnitte, die sich zeitunabhängig speziellen
Themenbereichen widmen. In chronologischer Abfolge werden die Anfänge
(etwa 500 bis 1000 nach Christus), die klassisch heute als Mittelalter
(1000-1500) bezeichnete Epoche, die Frühe Neuzeit des „ancien régime“
(1500-1789), die Formierungsphase der Moderne (1789-1918) sowie die
Nachweltkriegszeit (1919-2021) voneinander abgegrenzt.
Innerhalb dieser Sektionen werden jeweils eine Fülle von zugewiesenen
Exponaten präsentiert, die einen guten Überblick geben über die
Lebensweise und Ausdrucksformen „des Adels“, so daß ein Parforce-Ritt
durch die gesamte Adelsgeschichte absolviert werden kann. Dabei werden
auch kritische Zeiten und Umstände behandelt, so die Zeit des
Nationalsozialismus, bei der einer der Kurator*innen „dem Adel“ die
Verlängerung des zweiten Weltkrieges und die Ermöglichung der Shoa
zuschreibt (Seite 176). Die Exponate reichen aber auch darüber hinaus
bis ins 21. Jahrhundert, aus dem aristokratisierende Verwendungsweisen
präsentiert werden: Zigarettenwerbung mit Rittermotiven, Schützenorden,
Gesellschaftsspiele, Regenbogenpresse, Spielzeugritterburgen und
„Groschenromane“ werden thematisiert (Seite 336-345).
Die thematischen Vertiefungen sind – abseits der Zeitabfolge –
epochenübergreifend angelegt worden; sie weben den zeitlich
ausgerollten „roten Faden“ dicker, betreffen adeliges Selbstbild,
Herrensitze (Burgen, Schlösser), Gärten und Parks, Wohnkultur,
Sammlungen (Kuriositätenkammern, Bibliotheken), Domestiken,
standesspezifische Pädagogik, Konnubien, Festkultur, Jagd,
Sepulkralkultur, Erinnerungskultur und
Vergangenheitsbewirtschaftung (Seite 208-217). [8] Diese Verquickung
von Zeit- und Sachlichkeit in den Exponaten lädt daher immer wieder
dazu ein, den ausstellungsleitenden und -dominierenden Zeitstrahl zu
verlassen und ausgewählte wichtige Bereiche dessen, was man unter
„Kultur“ oder „Lebensweise“ des historischen Adels fassen könnte,
ausführlicher zu erkunden. Dabei gelingt es den Ausstellenden,
wesentliche Kernmerkmale dessen, was die Forschung als
charakteristische Aspekte „des Adels“ herausgearbeitet hat, zu treffen.
[9]
Die Vorbereitungen dazu hatten drei Jahren in Anspruch genommen. In der
Pressekonferenz vom 11. Dezember 2021, die von dem Museumsleiter, dem
Honorarprofessor Heinrich Theodor Grütter (*1957), zur
Ausstellungseröffnung abgehalten wurde, hieß es: „Das ist ein
Forschungsbereich, diese adelige Welt, da gibt‘s keine Standardwerke
drüber, das ist ein neu erforschte[r] Bereich, natürlich gibt‘s
Einzelstudien, gibt‘s, zu allem gibt‘s irgendwie Vorstudien, aber das
Zusammenzutragen unter diesem Thema Adel, braucht intensive
Überlegungen und umfangreiche Forschungen“. [10] Zumindest der letzten
Aussage kann zugestimmt werden, den ersten Aussagen indes nicht ganz
zweifelsfrei. Ob es Standardwerke zum Adel gibt, ist nicht entschieden.
Man wird sagen können, daß sie in der Tat nicht existieren, denn die
konzise Zusammenfassung der Ergebnisse aus rund 14.000 Monographien und
Aufsätzen mit Adelsbetreffen zwischen 1494 und 2021 erscheint derzeit
schlicht – allein der Masse halber – unmöglich. [11]
Andererseits sind immer wieder Versuche gemacht worden, derlei
Standardwerke zu produzieren. [12] Die bei Grütter formulierte
Darstellung eines Desiderats des Forschungsstands folgt dann jedoch die
Degradierung der bisherigen – oft sehr umfangreichen – Studien als
„Vorstudien“. Diese Bewertung soll wohl der künstlichen
Prestigeerzeugung zur Ausstellung dienen, und kann nur dadurch
erklärt werden, daß man teilweise den Forschungsstand ignoriert hat.
[13] Tatsächlich anders sieht es mit der Grütterschen Behauptung aus,
der Ruhradel sei bislang selten erforscht worden; sieht man von
Publikationen zu einzelnen Adelsfamilien ab und betrachtet nur „den
Adel“ en corpore, ist diese Aussage durchaus nachvollziehbar, [14]
während zu den einzelnen Familien durchaus viele Forschungspositionen
vorhanden sind. [15 ]Doch dann wieder erscheint die Grüttersche
Behauptung, heute sei verarmter Adel „die absolute Ausnahme“, [16] als
eher eine interpretative Verzerrung und ein Fehlschluß, der
möglicherweise daraus entstand, daß verarmte Angehörige der
Erinnerungsgemeinschaft des historischen Adels der Ausstellung keine
Exponate zur Verfügung stellen konnten und daraus, daß der
Forschungsstand nicht hinreichend beachtet worden ist. [17]
Bemerkenswert ist auch, daß Grütter weiter von der Existenz „des Adels“
ausgeht, weder differenziert, noch auf die Erinnerungsgemeinschaft
verweist. [18]
Er beteiligt sich daher ebenfalls an der performativen – hier
sprechaktlichen – Aufführung und Re/Präsentation der Selbstsicht „des
Adels“. Viele Sprechakte der Ausstellung können daher als
„Wiedergeburt“ „schlafender“ sozial vorgestellter „Skripte“ verstanden
werden, als Re/Aktualisierung, auch wenn gesagt werden muß, daß dieses
Konzept nicht stringent verfolgt wird, sondern immer wieder einmal
unter- und gebrochen wird. Diese Brechung läßt die Besuchenden im Fluß
des „roten Fadens“ daher des Öfteren aufhorchen, aufmerksam
werden. So überraschen die drei Kuratorinnen bereits mit dem Titel und
stellten ihre Ausstellung unter ein klassenkämpferisches Motto: „Eine
Klasse für sich“ ist eine Aussage von Karl Marx, der in Bezug auf die
Arbeiterbewegung gefordert hatte, daß sich unverbunden nebeneinander
stehende Arbeiter politisch und gewerkschaftlich verbinden müßten, um
eine gesellschaftliche Rolle spielen zu können und sich wirkungsvoll
eine ökonomische und soziale Interessenvertretung zu erschaffen.
Gross (2020) notierte dazu: „Klasse für sich, in der marxistischen
Revolutions- und Klassentheorie charakterisiert der Begriff eine
bestimmte Qualität des Klassenbewusstseins. Um die kapitalistischen
Verhältnisse umzustürzen, genügt es nicht, dass das Proletariat ‚an
sich‘ eine revolutionäre Klasse ist, die sich von anderen Klassen
objektiv durch den Nichtbesitz an Produktionsmitteln unterscheidet. Das
Proletariat muss sich vielmehr seines Klasseninteresses bewusst werden,
es muss sich aus einer Klasse an sich in eine K.f.s. verwandeln [...].“
[19] Den Titel des Schlagwortes indes für eine Adelsausstellung zu
benützen, ist irritierend und gewagt. Vielleicht war die Irritation
auch beabsichtigt, reflektiert wird die Titelwahl im Katalog jedoch
nicht. Zu bemerken ist dazu, daß es erstens keinen Zusammenhang mit der
Arbeiterbewegung gab, zweitens war Adel bis 1918 auch keine rein durch
den Nichtbesitz von Produktionsmitteln gekennzeichnete wirtschaftlich
orientierte Gemeinschaft. Von der Forschung eruiert werden konnte zwar,
daß es verarmte Adelige gab, die solch einer Definition entsprachen,
doch diese waren, wegen ihrer Vereinzelung und Nichtorganisation (also
höchstens als „Klasse an sich“), durchaus nicht als „Klasse für sich“
organisiert. [20] Vielleicht wollten die Ausstellungsmachenden aber
auch darauf hinweisen, daß sich „der Adel“ gern als eine abgesonderte
Gemeinschaft sah und zu behaupten suchte? [21]
Jedenfalls bleiben die Motive zur Namensgebung der Ausstellung im
Unklaren, möglicherweise war aber auch eine Hidden Agenda der
Ausstellungspädagogik. Doch immerhin regen die Kurator*innen durch
diese „Verrückung“ zur Auseinandersetzung und zum Widerspruch an:
„Adel“ und „Klasse“ passen traditionell nicht zueinander, bauen dadurch
aber ein Spannungsfeld der Begrifflichkeiten auf. Andererseits ist die
Konstruktion dessen, was die Ausstellungsmachenden unter einem
klassistischen „Adel“ verstehen, [22] durchaus folgerichtig, denn
präsentiert wurden als Exponate nur Artefakte aus reichen Haushalten;
zumindest insofern ist die Ausstellungskonzeption in sich kongruent
gestaltet, da nur Artefakte mit ausgesprochenem Ehrinstikinkt statt
allein mit Werkinstinkt in das zu Zeigende „eingebaut“ worden sind. [23]
Gleichwohl wird nicht allein die wirtschaftliche Seite des historischen
Adels berücksichtigt, wie man dem Titel gemäß vielleicht glauben
könnte, sondern vielmehr die regionale, personelle, genealogische und
lebensweltliche Seite. Adel kann, so besehen, wieder gegen den
Ausstellungstitel gelesen, weniger als „Klasse“, sondern eher als
„Stand“, „Gruppenbildung“ (nicht jedoch „Gruppe“) [24] oder Milieu
bezeichnet werden, obschon jeder dieser Begriffe auch nicht für alle
Zeiten passend erscheint und teils – wie beim „Stand“ – imaginäre
Kontinuitäten suggeriert. [25] Solche Kontinuitäten konstruiert indes
auch die Ausstellung, so daß der stereotypische (deswegen aber durchaus
nicht zu kritisierende) Eindruck entsteht, es habe sich bei „dem Adel“
um eine „geschlossene“ und „vererbliche Schicht“ gehandelt. Erzeugt
wird dadurch ein strukturalistisches Primat, das sich durch die
Vernachlässigung von sozialer Konstruktion und praktischer Handlung
auszeichnet. [26]
Andererseits werden aber dann doch auch in der neueren Adelsforschung
rezipierte Aristokratismen wie Zechenadel, Schlotbaron (Seite 152),
Stahlbaron, Grubenbaron, der „Adel der Arbeit“ (Seite 182),
Adelsadoptionen und ähnliche Annäherungen thematisiert, [27] die sich
als keinesfalls als strukturalistisch kennzeichnen lassen. Auch werden
sehr dienliche Hinweise auf die Netzwerkforschung gegeben, so mit der
Präsentation eines sonst als Quelle eher selten anzutreffenden
Bautagebuchs des Schlosses Horst aus dem 16. Jahrhundert, über das
deutlich wird, welche Aktanten am Schloßbau teilnahmen, woher diese
kamen (z.B. Schiefer aus Mayen bei Koblenz) und wie das Schloß – durch
den teils dauerhaften, teils nur temporären – Verbund von Aktanten
überhaupt erst entstand (Seite 92). [28]
Bei der Fülle der Themen bleibt es indes nicht aus, daß Vereinfachungen
und Pauschalisierungen stattfinden. Diese sind zwar unverzichtbar, doch
auch bisweilen sehr abwertend formuliert worden. So wird behauptet, daß
Dienstmädchen – abseits von gestellten Atelierfotografien, die sie in
der Ausstellung in typischer Berufshandlungen mit materiellen
Artefakten der Küche zeigen – „häufig“ von ihren „Herrschaften“
„moralisch verwerflich“ ausgenutzt wurden (Seite 277); [29] tatsächlich
hat es derlei Fälle gegeben. [30] Auch die Deferenz in ihrem geradezu
adelsmiterzeugender
Charakter wird nicht wahrgenommen. [31] Daß vornehme Kleidungsstücke
wie Livreen, von denen die Wappenknöpfe mit Adelswappen entfernt
wurden, wenn die Domestik*innen sie als abgetragenes Geschenk
erhielten, zu sozialen Rollenwechseln benutzt worden sind, wird von den
Autor*innen bedauert. Einer in der Ausstellung so zugerichteten
gezeigten Livree sei es indes, so wörtlich die Autor*innen, „erspart“
geblieben, den Weg über Trödelläden zu nehmen. Einem dort im Anschluß
genannten historischen Zitat seien derlei Livreen dann zu „Leute[n] aus
der niedrigsten Klasse“ gelangt, um dort dann „zu schädlichen
Absichten“ benützt worden zu sein (Seite 272). Findet also hier einmal,
in möglicher Andeutung auf die weit verbreitete Kulturtechnik der
Hochstapelei, [32] ein Empowerment von Minderprivilegierten statt, wird
dies von den Kurator*innen der Ausstellung durchaus verurteilt. [33]
Wenn indes lobenswerterweise von Netzwerken die Rede ist, so meinen die
Kurator*innen damit anscheinend nur Verbindungen zwischen Humanaktanten
und nicht etwa Verbindungen zwischen Human- und anderen Aktanten,
obzwar genau diese Aktanten – vor allem Dinge – in der Ausstellung die
prominenteste Rolle spielen; denn die Geschichte des
rheinisch-ruhrischen Adels wurde vor allem über die zugehörigen
Artefakte erzählt, die aus ihren ehemaligen humanen Netzwerken
herausgelöst, jedoch in ein neues Netzwerk der Re/Präsentation
eingesetzt worden sind.
Architektonisch indes wird diese neue Re/Präsentation in einem
fensterlosen Bunker in einer Art Schlauchraum (mit der Bezeichnung
„Kohlenwäsche“) mit Nebengelassen aufgezeigt, der durch einen von dem
Wiener Architekten Bernhard Denkinger gestalteten „Glaspalast“
kontrastiert wird (gläserne Vitrinen, die in Fluchten aufgestellt
wurden).
Begleitet wird die Ausstellung multimedial, so sind neben Führungen und
Erlebnisworkshops, an denen die Besuchenden teilnehmen können, in der
Ausstellung selbst an Hörstationen Hörbeispiele von Musiken an
Adelshöfen zu hören (Seite 312) oder Interviewausschnitte in Videos zu
sehen. Ergänzt werden Katalog wie Ausstellung fernerhin durch eine
Applikation für Smartphones.
Darin wurden in 26 Stationen und an ausgewählten Exponaten bestimmte
Hochlichter der Ausstellung hervorgehoben und exemplarisch durch kurze
Audiodateien vorgestellt, zugleich aber auch textlich sichtbar gemacht.
Schallwellensymbolen an den Vitrinen weisen dabei jeweils auf eine
Audiodatei hin, die dann, passend zu dem sichtbaren Exponat, abgerufen
werden kann; enthalten sind auch Hinweise auf die Richtung des weiteren
Rundgangs. Zu den besonderen Ausstellungsstücken, die auf diese Weise
erklärt und hervorgehoben wurden, zählte das Lembecker Schwert (10.
Jahrhundert), das Soester Vemebuch, Blüchers Uniformrock aus der Zeit
um 1800, eine Statuette von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach als
Ritter (1912) oder ein Wandteppich mit Don Quichote-Motiven (Seite
247-248).
Ein letzter Abschnitt in Katalog ist sodann der „Faszination“ des Adels
im 21. Jahrhundert gewidmet (Seite 336-345); hierzu zählen die drei
Austellungsmachenden die drei Bereiche Kinderspiel („Ritter und
Prinzessin“), die Aristokratismen aufgreifende Marketing- und
Reklamewelt sowie zuletzt die Regenbogenpresse mit Berichten über den
europäischen Hochadel. Mit dem Thema „Faszination Adel“ ist indes ein
ganz grundlegendes Konzept angesprochen, da die gedankliche Vorstellung
oder die Idee (das „Klischee“) immer eine Rolle spielt bei der
Konstruktion sozialer Tatsachen, die im Moment ihrer Anrufung
erschaffen werden. [34]
Schließlich handelt es sich bei sozialen Zuschreibungen und
Humandifferenzierungen stets um einen Akt der sozialen Aushandlung und
nicht eine feststehende Entität. Insofern ist es sehr lobenswert, daß
diesem Bereich nun in einer Adelsausstellung, was bislang eher selten
vorkam, Aufmerksamkeit geschenkt wird. Allerdings erschöpft sich der
Anriß des Themas dann jedoch erstens in der positiven Betrachtung
(„Faszination“) [35] und zweitens weitgehend in der Zusammenschau von
Artefakten, deren Zusammenhang nicht erläutert wird. Ein Textvorspann
äußert zwar die These, Adel sei für Personen, die nicht der
Erinnerungsgemeinschaft des historischen Adels angehörten,
faszinierend, weil „er“ Sehnsüchte nach höheren „Tugend- und
Ordnungsfantasien“ bediene, man aber zugleich in (Ritter-) Spielen und
im Karneval [36] selbst einmal „das Besondere, Auratische und Elitäre“
erleben könne (Seite 337). Daß aber die „Faszination“ oder Ehrfurcht,
die sich handlungspraktisch in Form der Ehrerbietung äußert, [37] ein
wesentlicher Bestandteil auch der historischen Adelskonstruktion und
-konstitution sein könnte, wird nicht angedacht. Vielmehr wird so
getan, als wenn diese Faszination außerhalb des Adels stünde, der Adel
mithin als eine „Insel in der Welt“ dargestellt wird; damit bleibt dies
an sich intelligent angedachte Kapitel über das Soziotyp im kulturellen
Gedächtnis der Jetztzeit letztlich merkwürdig unverbunden, anstatt den
naheliegenden Schritt der Zusammengehörigkeit nachzuvollziehen. Verpaßt
wurde damit bedauerlicherweise auch die Möglichkeit, sich an die
neuesten Forschungsergebnisse um „aristokratische Stereotype“ und das
Konzept „un/doing nobility“ anzuschließen. [38]
Auch bedient, vermutlich nicht unkalkuliert, die Ausstellung selbst den
Topos der „Faszination“, den sie als Publikumsmagnet ausnutzen möchte,
um Ausstellungsbesuchende anzuziehen; an einer de/konstruktivistischen
Perspektive haben die Kurator*innen bedauerlicherweise kaum Interesse
gezeigt. Das Wort „kaum“ wurde hier verwendet, da es zumindest doch
einen konstruktivistischen Moment gibt. So wird in der Ausstellung eine
„Urkunde“ präsentiert und im Katalog beschrieben (Seite 343-344), auf
der eine Person, die nicht der Erinnerungsgemeinschaft des historischen
Adels angehörte, durch eine „Adelsfabrik“ [39] und mittels eines
gesiegelten papierenen Schriftaktes zum „Grafen von E.“ ernannt wurde.
Im Begleittext dazu heißt es, daß Adelstitel auf Onlineplattformen
käuflich erworben werden könnten. Dies ist falsch, da im Text selbst
bemerkt wird, Adelstitel seien seit 1919 und daher auch im 21.
Jahrhundert nur noch bloße Namensbestandteile (Seite 176).
Man kann auf diesen Plattformen keinen Adelstitel kaufen, nicht einmal
einen Namen, sondern nur ein Stück Papier (namens „Urkunde“) erwerben,
auf dem ein nichthistorischer „Adelstitel“ in räumlicher Nähe zum Namen
der dieses Papier bestellenden Person gedruckt steht. Zweck sei, solch
einen „Adelstitel“, den es laut Aussage eigentlich – als Titel – nicht
mehr gäbe, als Künstlernamen zu verwenden. Dies mag zwar stimmen und
ist auch durchaus möglich und wird praktiziert, [40] aber dafür bedarf
es keiner Autorität, die dies durch einen Schriftakt in Form eines
bedruckten Papiers absegnet. Mit dem Satz „Zertifikate wie das hier
beweisen den rechtmäßigen Erwerb des Titels“ ist daher mehrfach
widersinnig, nicht nur, weil Adelstitel nicht mehr existieren, sondern
auch weil die Echtheit eines imaginierten Titels, der historisch so
nicht nachweisbar ist, [41] keiner „Echtheit“ bedarf. Künstlernamen
lassen sich, ganz simpel, auf eigenen Beschluß der künstlerisch Tätigen
in den Personalausweis eintragen, vorausgesetzt, daß man unter diesem
Namen schon längere Zeit Kunstwerke erschaffen hat. Einer
(kostenpflichtigen) Beglaubigung oder Verleihung bedarf es nicht nur
nicht, sie kann allein auch deswegen nicht erfolgen, weil es dafür
keine gesetzliche Grundlage im Namensrecht gibt. [42]
Gänzlich konstruktivistisch ist dann die folgende Argumentation, nach
der das in Rede stehende Papier eine „Bestätigung der Seriosität in
juristischer Form“ darstelle. Allerdings gilt das Papier weder als eine
juristische Bestätigung (es ist lediglich ein privat ausgedrucktes
Papier) noch würde das klassische Adelsrecht dieses Papier und die
damit angeblich verknüpfte „legitime“ Adelsführung als „seriös“
bezeichnen. [43] Ein Verweis auf die traditionelle „Vereinigung der
deutschen Adelsverbände“ (VdDA) fehlt dagegen an diesem Ort der
Sprechhandlung. [44] Am Ende, so suggeriert die Exponatbeschreibung,
könne eben doch Jeder und Jede, der oder die das möchte, „dem Adel“
angehören und das auch noch „juristisch“ „korrekt“ – durch einen
„Kauf“. [45] Somit wird insgesamt zwar der Idee einer Konstruktion von
Adel durch Schriftakt und stets mehrere Aktanten Raum gegeben, aber in
letzter Konsequenz werden dann die für die Erzeugung der sozialen
Zuschreibung „Adel“ nötigen performativen Mechanismen als Grundlegung
nicht (an)erkannt, was besonders bedauerlich auch deswegen ist, weil
entsprechende Forschungen zum „un/doing nobility“ schon seit Jahren
vorliegen. [46]
Fernerhin fallen bei weiteren Beschreibungen von Exponaten eigenwillige
Formulierungen auf, [47] so ist beispielsweise eine Blasonierung (der
Fürsten zu Salm-Reifferschedt-Dyck ab 1816) falsch ausgeführt worden
(Seite 213). Statt „Der Hintergrund wird durch einen aufgespannten
Hermelinmantel gebildet, der oben in einer Fürstenkrone ausläuft –
beides Insignien für den höchsten Adelsrang. Davor stehen zwei Ritter
in Turnierrüstung. Sie halten das viergeteilte Schild der Fürsten von
Salm-Reifferscheidt-Dyck, [48] auf dem ein weiteres vierteiliges Wappen
mit Salmen und einem Greifen erscheint. Als Bekrönung des Schildes
dienen fünf Turnierhelme mit verschiedenen Kronen und phantasievoller
Helmzier. Lateinische Devisen (‚Für Gott und Vaterland‘ oder [49]
„Gegen den Strom‘) verweisen auf den Auftraggeber [50] Joseph Franz
Maria Anton Hubert Ignatz Fürst und Altgraf zu Salm-Reifferschiedt-Dyck
[...]“ müßte es heraldisch deutlich formuliert heißen:
„Der Schild ist geviert mit aufgelegtem Mittelschild. Letzteres ist in
3 Plätze zwei Mal gespalten. Vorn in Silber zwei plahlweis gestellt mit
Kopf und Schwänzen auswärts gekrümmte rothe Salme (wegen der Erbschaft
von Nieder-Salm), der mittlere Platz quergetheilt oben in Silber ein
golden bewehrter rother Greif, haltend an den Lüffeln (nicht an den
Hinterläufen) einen hangenden Hasen natürlicher Farbe […], unten in
Roth 2 silberne Salme, pfahlweis mit Köpfen und Schweifen
auswärtsgekrümmt, begleitet von 4 silbernen Kreuzchen […], hinten das
Stammwappen Reifferscheidt: in Silber ein von fünfflätzigen blauen
Turnierkragen überhöhtes rothes Schildchen. Im I. Felde des
Hauptschildes ist dies Wappen des Herrschaft Dyck in Silber (3 (2. 1.)
aufrechte rothe Wecken), im II. das der Herrschaft Bedbur (im mit
silbernen senkrecht abgeschnittenen Querschindeln besäeten rothen Felde
ein silberner Löwe), im III. Felde das der Herrschaft Alfter (in Gold 4
rothe Balken, überdeckt von einem einwärtsgekehrten, doppelschweifigen
silbernen Löwen, im IV. Felde das der Herrschaft Hackenbroich (in Gold
ein – rechtsgekehrter – silberner richtiger schwarzer Löwe.
Auf dem Schilde ruhen 5 Helme, von denen der äusserste links mit
rothgoldenen, die übrigen mit rothsilbernen Decken versehen, der
äusserste rechts und links mit Edelkrone, der II. und III. mit
purpurnen Fürstenhüten, der IV. mit gräflicher Krone gekrönt ist. Der
erste Helm rechts trägt eine wachsende, das Kniegelenk links kehrende
Keule nat.[ürlocher] Farbe (wegen Alfter), der zweite zwei gestürzte
mit Kopf und Schweif auswärtsgekrümmte Salme (wegen Niedersalm), der
mittlere den Greif mit dem Hasen, der vierte ein rothes und ein
silbernes Eselsohr (Stammkleinod Reifferscheid), der fünfte endlich
einen silbernen Löwen in ganzer Figur (wegen Hackenbroich).
Den Schild halten geharnischte Ritter mit geschlossenem Visir, rothen
Helmbüschen an goldenen Schwertriemen über die rechte Schulter
hängenden Schwertern, goldenen Sporen und Panzerhandschuhen, an deren
äusseres Bein je ein herzförmiger Stahlschild gelehnt ist. Jeder von
ihnen hält an goldener Lanze ein Banner, von denen das rechte goldene
ein silbernes Schildchen mit den beiden rothen Salmen von Niedersalm,
darüber die Devise „Contra torrentem“, das linke silberne das
Reifferscheidt‘sche Schildchen nebst Turnierkragen, darüber die Devise
„Quem obumbro defendo“ trägt. Beide Devisen sind in schwarzen
lateinischen Lapidarbuchstaben geschrieben, die Schildhalter stehen auf
silbernem Bande mit der Devise Pro Deo et patria in eben solcher
Schrift. Das Ganze umfliegt ein aus Fürstenhut, mit purpurner Mütze
herabfallender, goldbefranzter und gebundener, hermelingefütterter
purpurner Fürstenmantel.“ [51]
Tritt man indes nun, am Ende, von den Details zurück und fährt noch
einmal – von außen kommend – in Ausstellung und Katalog, wie einst Else
Frobenius ins Ruhrtal, so wird man ein ambivalentes Fazit ziehen
können. Einerseits überzeugt die übergroße Fülle der Exponate in ihrer
Zusammenstellung und Reihung vom „roten Faden“ der regionalen
Adelsgeschichte, die mit der „großen“ Geschichte stets verflochten war,
überzeugt die geschwärzte ebenso wie archaisch anmutende Spannung
mit den oft filigranen, erleuchteten Exponaten in den „Glaspalästen“
der Vitrinen, beeindrucken ästhetisch die Sichtachsen, die die
Blickwinkeleröffnung und -verschließung im Sinne englischer
Landschaftsparks des Adels und den baulichen Symmetrie-Gedanken der
Herrenhäuser und Schlösser aufnimmt, [52] beeindruckt die
Fensterlosigkeit der „Kohlenwäsche“, die durch das Fehlen von
Tageslicht eine absolute Konzentration auf die Exponate und ein fast
immersiven Museumserleben ermöglicht. Auch ist positiv hervorzuheben,
daß Grenzaspekte der Adelsgeschichte im Großen (so die Stellung des
Adels zur Weimarer Republik) und im Kleinen (individuelle Devianz, zum
Beispiel auf Seite 169-170) erörtert werden.
Auch wer, über den regionalen Bezug hinaus, sich allgemein über die
Geschichte des Adels informieren möchte, findet in der Essener Schau
eine gute Zusammenfassung von 1.000 Jahren Historie dieser
humandifferenzierend-stratifikatorischen Sozialetikettierung. Dies
bedeutet, daß auch eine grundlegende Bildung über den Adel abseits der
Rhein-Ruhr-Fokussierung möglich ist – und mitgeleistet wird.
Andererseits bleibt die Ausstellung merkwürdig wissenschaftlich
konventionellen Adelsverständnissen des „being nobility“ verpflichtet,
wenn auch einige interessante Auswirkungen konstruktiver
Adelserzeugungen aufleuchten, ohne daß diese kontextualisiert worden
wären. So bleibt die Ausstellung und das Fazit zwar eine
oft sinnreiche kunsthistorische Einordnung der Exponate, die hinter diesem Artefakten
sich anbietende Theorie eines „poststrukturalistischen Materialismus“
wird nicht nachvollzogen, nicht angedacht. [53]
Gerade aber eine aktuelle Ausstellung, im Beginn des zweiten Jahrzehnts
des 21. Jahrhunderts, hätte den Anschluß an neueste
Forschungsergebnisse aufnehmen können, um eine neue Sicht auf den Adel
(abseits der üblichen Pfadabhängigkeit der Darstellung) zu ermöglichen.
Zumindest Seitenblicke und alternative Entwürfe hätten gelohnt, sind
aber leider verpaßt worden. [54] Bei solch einer reich bestücken
Ausstellung, die manche wertvolle Zusammenhänge zur Adelshistorie
komplexreduziert in einem doch weitgehend gelungenen „roten Faden“
aufbereitet hat, ist das bedauerlich.
Man wird die Ausstellung zum Besuch indes abschließend ebenso wie die
Anschaffung des Katalogs dennoch empfehlen können, erstens als
Anschauungsbeispiel, wie heutzutage „Adel“ re/präsentiert wird,
zweitens aber auch als Einführung in die Adelsthematik, die in groben
Zügen publikumsaffin gestaltet worden ist und die es den Besuchenden
ermöglicht, innerhalb eines einzigen Rundgangs die wesentlichsten
Bereiche kennen zu lernen, in denen „der Adel“ im jeweiligen
gesellschaftlichen Leben durch „Obenbleiben“ und „Zusammenbleiben“ und
nicht zuletzt auch „den Glauben an ihn“, wie Heinrich Heine es einmal
formuliert hatte, eine Rolle spielte. [55]
Dieser Aufsatz stammt von Dr. phil. Claus Heinrich Bill, M.A., M.A.,
M.A., B.A., und erscheint zugleich in der Zeitschrift für deutsche
Adelsforschung in gedruckter Form.
Annotationen:
-
[1] = Else Frobenius: Im Ruhrtal, in: Sonntagsblätter.
Schriftleitungsbeilage der Freien Stimmen (Klagenfurt), Ausgabe Nr.
22 vom 12. Juni 1927, Seite 2-3.
- [2] = Dazu siehe weiterführend Dietrich Werner Graf von der Schulenburg /
Hans Wätjen: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg 1237 bis
1983, Wolfsburg: Hempel 1984, Seite 401-405 (Zweig Wolfsburg, 3. Haus
Oefte).
- [3] = Heinrich Theodor Grütter / Axel Heimsoth / Magdalena Drexl /
Reinhild Stephan-Maaser: Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und
Ruhr, Essen 2021, 380 Seiten, Format: 210 x 255 x 30 mm. Erschienen
am 15. XII. 2021 im Klartextverlag in Essen, erhältlich zum Preis
von 29,95 Euro, gebunden mit Festeinband, mit zahlreichen farbigen
Illustrationen versehen, ISBN: 978-3-8375-2481-9.
- [4] = Dazu siehe a) Herbert Knittler / Gottfried Stangler / Renate Zedinger
(Hg.): Adel im Wandel. Politik, Kultur, Konfession 1500-1700, Wien
1990, 612 Seiten (Band 251 der Neuen Folge der Reihe „Katalog des
Niederösterreichischen Landesmuseums“ zur gleichnamigen
niederösterreichische Landesausstellung auf der Rosenburg vom 12.
Mai bis 28. Oktober 1990 mit vielen kleinen Aufsätzen und
Exponatbeschreibungen sowie Abbildungen), b) Wolfgang Jahn / Margot
Hamm / Evamaria Brockhoff (Hg.): Adel in Bayern. Ritter, Grafen,
Industriebarone. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung vom 26.
April bis 5. Oktober 2008 in Schloss Hohenaschau und im
Ausstellungszentrum des Lokschuppens Rosenheim, Stuttgart: Konrad
Theiss 2008, 343 Seiten (Band 55 der Reihe „Veröffentlichungen zur
bayerischen Geschichte und Kultur“), c) Simone Neuhäuser:
Herrschaftszeiten! Adel in der Niederlausitz (Begleitpublikation zur
gleichnamigen Ausstellung 2014), Cottbus 2014, 176 Seiten, d) Jan
Harasimowicz / Jasper von Richthofen / Andrzej Niedzielenko (Hg.):
Szlachta na Slasku. Sredniowiecze i czasy nowozytne, Dresden:
Sandstein 2014, 264 Seiten (Katalog zur Ausstellung im Museum zu
Legnicy oder Liegnitz vom 24. Mai 2014 bis 11. September 2014 zum
Thema „Ritter der Freiheit, Hüter des Rechts. Adel in Schlesien im
Mittelalter und in der Frühen Neuzeit“), e) Markus Bauer (Hg.):
Adel in Schlesien und in der Oberlausitz. Mittelalter, Neuzeit,
Gegenwart, Dresden: Sandstein 2014, 340 Seiten (Katalog zu mehreren
Ausstellungen, unter anderem zur Ausstellung „Beharren im Wandel.
Der Adel Schlesiens und der Oberlausitz seit dem 18. Jahrhundert“
in Görlitz vom 24. Mai 2014 bis 9. November 2014“), f) Casimir
Bumiller
(Hg.): Adel im Wandel. 200 Jahre Mediatisierung
in Oberschwaben, Ostfildern: Thorbecke, 2006, 400 Seiten (Katalog zur
Ausstellung in Sigmaringen vom 13. Mai bis 29. Oktober 2006).
- [5] = Zu diesem fragilen und daher temporären Netzwerk gehören neben den
Sobjekten (ein Hybridisierung aus Objekten und Subjekten), die die
„Stars“ der Ausstellung darstellen, auch die
Ausstellungsmachenden, Kurator*innen, Helfenden (die dann in der
Ausstellung selbst unsichtbar werden), die Leihgebenden, die sich
ständig in ihrer Masse austauschenden Besuchenden, die
multiplikatorisch und diskurserweiternd wirkende Presse mit ihren
Rezensionen, die Lesenden dieser Besprechungen (die teils wiederum
Besuchende werden), die Versicherungen, Glaskastenproduzenten, die
„Kohlenwäsche“, die Verkehrsmittel, mit denen die Sobjekte in
die Ausstellung verbracht worden sind und nach deren Ende auch wieder
zurück zu ihren Eigentümern (oder Besitzenden) verbracht werden,
und so weiter.
- [6] = Es handelt sich dabei um ein spezielles Meisternarrativ, das die
Kurator*innen auf ihre eigene Weise erzählen. Daher verfügten nicht
nur, wie es im Katalog heißt (Seite 214), Adelsfamilien über die
Strategie einer „Rückführung auf einen mythischen Urahnen“, mit
dem sie “versuchten“, „ihre Bedeutung hervorzuheben“, sondern
auch die Ausstellungsproduzierenden. Sie verleihen dem Adel durch
ihre Gestaltung schriftaktlich vor allem eine Kontinuität seit dem
6. Jahrhundert mit Artefakten von unbekannten privilegierten Personen
mit vermuteter stratifikatorisch hoher Stellung. Damit wird
kurzerhand die Geschichte des Adels an der Ruhr um 200 Jahre
verlängert, da das erste präsentierte Ruhradelsartefakt erst das
karolingische Evangeliar des Frauenstifts Essen aus der Zeit um 800
war (Seite 30). Zur Bewußtwerdung, Konstruktion und Reflexion
verschiedener Erzählweisen für Traditionsanfänge siehe Friedrich
Balke: Gründungserzählungen, in: Harun Meye / Leander Scholz (Hg.):
Einführung in die Kulturwissenschaft, München: Wilhelm Fink 2011,
Seite 23-48.
- [7] = Ein reflektierter Versuch zur Definition dessen, was Adel ist, fehlt
indes leider im Katalog und wird auch teils in sich konterkariert
(Seite 22-23: Adel sei erblich, Seite 343-344: Adel sei käuflich);
so verbleibt der Begriff in einem recht schwammigen Bereich des
Nebulösen. Dies hatte erhebliche Konsequenzen, denn die Definition
„des Adels“ bestimmte schließlich die Auswahl des Materials und
die Knüpfung des „roten Fadens“.
– Grundlegend zur Problematik siehe Lothar W.
Pawliczak: Kein Begreifen von „Adel“ ohne klar definierten
Adelsbegriff!, in: Erhard Crome / Udo Tietz (Hg.): Dialektik, Arbeit,
Gesellschaft. Festschrift für Peter Ruben, Potsdam: Welttrends 2013,
Seite 115-129. –
Zur Vielfalt der Begriffe siehe indes das Lemma „Adel“, jeweils
bei Robert Blum (Hg.): Volksthümliches Handbuch der
Staatswissenschaften und Politik, Band I., Leipzig: Blum 1848, Seite
32-37; Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hg.):
Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur
politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Band I, Stuttgart:
Klett-Cotta 1972, Seite 1-48; Stefan Gosepath / Wilfried Hinsch /
Beate Rössler (Hg.): Handbuch der Politischen Philosophie und
Sozialphilosophie, Band I., Berlin: De Gruyter 2008, Seite 9-11,
Günter Barudio: Politik als Kultur, Stuttgart / Weimar: J. B.
Metzler 1994, Seite 21-25; Friedrich Wecken:
Familiengeschichtsforschung in Stichworten, Leipzig: Degener 1936,
Seite 9-10; Werner Schingitz / Joachim Schondorff: Philosophisches
Wörterbuch, 10. Auflage Stuttgart: Kröner 1943, Seite 6; Caspar von
Schrenck-Notzing (Hg.): Lexikon des Konservatismus, Graz / Stuttgart:
Ares 1996, Seite 19-22; Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des
Nationalsozialismus, 2. Auflage Berlin: De Gruyter 2007, Seite 10-11;
Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des Adels, München: C. H. Beck
2005, Seite 15-18; Friedrich Jaeger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit,
Band I., Stuttgart: Metzler 2005, Spalte 39-54; Gerd Reinhold (Hg.):
Soziologie-Lexikon, München: Oldenbourg 4. Auflage 2000, Seite 6;
Hanno Drechsler / Wolfgang Hilligen / Franz Neumann (Hg.):
Gesellschaft und Staat. Lexikon der Politik, München: Vahlen 8.
Auflage 1992, Seite 6-7; Heinz Thoma (Hg.): Handbuch Europäische
Aufklärung, Stuttgart: J. B. Metzler 2015, Seite 3-10; Helmut
Reinalter (Hg.): Lexikon zu Demokratie und Liberalismus 1750-1848/49,
Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 1993, Seite 11-18; Helmut
Reinalter (Hg.): Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa,
Wien: Böhlau 2005, Seite 104-106; Hermann Rentzsch (Hg.):
Handwörterbuch der Volkswirthschaftslehre, Leipzig: Mayer 1866,
Seite 17-21; Horst Bartel / Dieter Fricke (Hg.): Wörterbuch der
Geschichte, Band I., (Ost-) Berlin: Dietz 1983, Seite 20-21;
Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart: Kröner
5. Auflage 2007, Seite 6; Marianne Bernhard: Das Biedermeier. Kultur
zwischen Wiener Kongreß und Märzrevolution, Düsseldorf: Econ 1983,
Seite 11-12; Max Weiß (Hg.): Politisches Handwörterbuch, Berlin:
Deutschnationale Schriftenvertriebsstelle 1928, Seite 8-10; Paul
Herre (Hg.): Politisches Handwörterbuch, Band I., Leipzig: Koehler
1923, Seite 8; Richard van Dülmen (Hg.): Fischer Lexikon Geschichte,
Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 1990, Seite 105-120; Theodor
Hartleben (Hg.): Geschäfts-Lexikon, Band I., Leipzig: Brockhaus
1824, Seite 8-16; Theodor Heuß: Politik. Ein Nachschlagebuch für
Theorie und Praxis, Halberstadt 2. Auflage 1928, Seite 3-5. –
Hinzu kommen die Analysen bei Claus Heinrich Bill: Lexikalische
Definitionen des Adelsbegriffs im 18. und 19. Jahrhundert, in:
Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen
Adelsgeschichte 3. Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten
Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und
Modellen, Sonderburg 2017, Seite 50-51 (betrifft Zedler, Krünitz und
Pierer aus den Jahren 1732, 1816 und 1857); Claus Heinrich Bill:
Lexikalische Definitionen des Adelsbegriffs im 20. Jahrhundert, in:
Ibidem, jedoch Nr. 4, Sonderburg 2018., Seite 34-35 (betrifft Bayer
1974, Bosl 1974, Bartel 1983 und Endres 1993); Claus Heinrich Bill:
Lexikalische Definitionen des Adelsbegriffs im 21. Jahrhundert, in:
Ibidem, Seite 36-37 (betrifft Conze 2005, Wienfort 2006, Hillmann
2007 und Demel 2014).
- [8] = Dazu siehe Christoph Kühberger / Andreas Pudlat (Hg.):
Vergangenheitsbewirtschaftung. Public History zwischen Wirtschaft und
Wissenschaft, Innsbruck / Wien / Bozen: Studienverlag 2012, 218
Seiten. –
Adelige waren damit nicht nur „Meister der Sichtbarkeit“, eine
Kulturpraktik, die in der Ausstellung auch von den nicht der
Erinnerungsgemeinschaft des historischen Ruhradels angehörenden
Kuratorinnen re/produziert wurde, sondern auch Meister der „public
history“. Zur Visibilität siehe Heinz Reif: Adel und Bürgertum in
Deutschland I., Berlin: Akademieverlag 2000, Seite 14; Claus Heinrich
Bill: Adel als Meister der Sichtbarkeit, in: Institut Deutsche
Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 1.
Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für
die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2017,
Seite 36-37; siehe zur Problematisierung des Begriffes indes auch
Claus Heinrich Bill: Un/Sichtbarkeiten in kulturwissenschaftlicher
Perspektive mit besonderem Bezug auf die neuere Adelsforschung, in:
Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche
Adelsforschung, Jahrgang XXI., Folge Nr. 103, Sonderburg 2018, Seite
37-44. –
Zur Praktik der „public history“ und seiner Adelsnähe sind
Untersuchungen noch nicht
bibliographisch ermittelbar gewesen, obschon Adel dauernd
„Histotainment“ und Geschichtspolitik in eigener Sache betrieb,
Adel sogar als einer der Lehrmeister der „public history“ mit
jahrhundertelanger Erfahrung in diesem Bereich gelten kann; allgemein
dazu siehe Martin Lücke / Irmgard Zündorf: Einführung in die
Public History, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018, 207
Seiten. –
Zur Praktik der Kruppschen Verkleidung als Ritter im 20. Jahrhundert
(repräsentiert in der zugehörigen Statuette in der Ausstellung,
Seite 170) siehe indes Wolfgang Hochbruck: Geschichtstheater. Formen
der „Living History“. Eine Typologie, Bielefeld: Transcript 2013,
152 Seiten (Band 10 der Reihe „Historische Lebenswelten in
populären Wissenskulturen“).
- [9] = Siehe dazu beispielhaft die sich –
in Details unterscheidenden –
Ansätze von a) John H. Kautsky: Funktionen und Werte des Adels, in:
Peter Uwe Hohendahl / Paul Michael Lützeler (Hg.):
Legitimationskrisen des
deutschen Adels 1200-1900, Stuttgart: J. B.
Metzler 1979, Seite 1-16; b) Gerhard Dilcher: Der alteuropäische
Adel, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Europäischer Adel 1750-1950,
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1990, Seite 87-95, c) Otto
Gerhard Oexle: Aspekte der Geschichte des Adels im Mittelalter und in
der frühen Neuzeit, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Europäischer Adel
1750-1950, Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1990, S. 19-56, d)
Marcus Funck / Stephan Malinowski: Geschichte von oben.
Autobiographien als Quelle einer Sozial- und Kulturgeschichte des
deutschen Adels in Kaiserreich und Weimarer Republik, in: Historische
Anthropologie, Band 7, Heft 2, Köln: Böhlau 1999, S. 236-270, e)
Eckart Conze: Adel, in: Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des
Adels, München: C. H. Beck 2005, Seite 15-18. –
Es gibt indes noch weitere Versuche zur Extrahierung einer möglichen
Adelsessenz; dazu zählen auch satirische Verarbeitungen wie f)
Gregor von Rezzori: Adel. Aus guten Kisten und wenn möglich, noch
besseren Ställen. Wertvolle Anleitungen zu Kenntnis und Verständnis
der vorbildgebenden, tonangebenden sowie schlechthin angebenden
Gesellschaftsschicht (Band 2 der Reihe „Idiotenführer durch die
Deutsche Gesellschaft“), Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1962, 80
Seiten, aber auch g) Boris Wittich / Gerhard Brinkmann: Von
Blaublütigen und Andersgläubigen. Die schönsten Witze über Adel,
Juden, Geistlichkeit, München / Zürich: Droemer Knaur 1981, 126
Seiten (Band 2021 der Schriftenreihe „Knaur-Taschenbücher“). –
Hinzukommen etliche literarische Fixierungen von Adelswerten wie
beispielsweise bei h) Anke-Marie Lohmeier: Das Lob des adligen
Landlebens in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts, in:
Dieter Lohmeier (Hg.): Arte et Marte, Studien zur Adelskultur des
Barockzeitalters in Schweden, Dänemark und Schleswig-Holstein,
Neumünster: Wachholtz 1978, Seite 173-191.
- [10] = Video „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr. Die
Pressekonferenz zur Aus[s]tellung“ seitens des Youtube-Kanals „Ruhr
Museum“ unter der virtuellen Adresse „https://youtu.be/8TcJX9P7M9I“
gemäß Abruf vom 12. Dezember 2021 bei 22:47 min.
- [11] = So die aktuelle Auszählung gemäß der unten erwähnten Neuen
Adels-Bibliographie.
- [12] = Dazu gehört zweifellos Carl Friedrich Ferdinand von Strantz:
Geschichte des deutschen Adels urkundlich nachgewiesen von seinem
Ursprunge bis auf die neueste Zeit, Breslau: Kühn 2. Auflage 1853, 3
Bände. Später aber auch eher Einführungen wie Heinz Reif: Adel im
19. und 20. Jahrhundert, München: Oldenbourg 2. Auflage 2012, VIII
und 174 Seiten (Band 55 der Reihe „Enzyklopädie deutscher
Geschichte“); Michael Sikora: Der Adel in der Frühen Neuzeit,
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2009, VII und 148
Seiten; Gottfried Peter Kauschnick: Geschichte des deutschen Adels,
Dresden 1831, 93, 95, 125 und 116 Seiten (vier Teile in einem Bande);
Robert Steimel: Im vordersten Gefecht. Kleine Geschichte des
deutschen Adels, Köln-Zollstock 1959, 176 Seiten.
- [13] = Augenscheinlich nicht
benützt wurde –
laut Katalog-Bibliographie (Seite 358 mit dem Buchstaben „B“ der
Nachnamen der Autor*innen der „Vorstudien“) –
Claus Heinrich Bill: Neue Adels-Bibliographie. Monographien,
Sammelbände und Aufsätze des Erscheinungszeitraums 1494 bis
einschließlich September 2021 zum Adel in den deutschsprachigen
Ländern, Sonderburg 7. Auflage 2021, 1287 Seiten.
- [14] = Video „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr. Die
Aus[s]tellungseröffnung“ unter der Adresse
„https://youtu.be/J3iPnd2XwTo“ bei 48:56 min gemäß Abruf vom
12. XII. 2021 –
Hinzuweisen ist indes auf die folgenden kleineren Arbeiten zum
Ruhradel (Arbeiten zu einzelnen Familien hier ausgenommen): Nomen
Nescio: Graf Koks (von der Gasanstalt), in: Berliner Zeitung (Berlin)
vom 6. September 2021, Seite 8 (Wortherkunftserklärung auch des
Begriffs „Ruhrbaron“); Maren Schürmann / Georg Howahl:
Schlösser, Burgen und Ruinen. Historische Gemäuer und ihre
Geschichte im und um das Ruhrgebiet, Essen 2018, 160 Seiten; Heinz
Weirauch: Mittelalterliche Adelsfamilien in Mülheim an der Ruhr.
Eine Spurensuche, Mülheim an der Ruhr 2020, 144 Seiten. Zum
rheinischen Adel dagegen gibt es wesentlich mehr Publikationen, zum
Beispiel zählen dazu Monika Gussone / Hans-Werner Langbrandtner /
Peter K. Weber: Zwischen Macht und Ohnmacht. Spielräume adliger
Herrschaft im frühneuzeitlichen Rheinland, Bielefeld 2020, 384
Seiten; Monika Gussone: „Bewilligt uund fry zugelaißen ederem
Stande, sich in der Religion zu halten nach der alten Religion ob der
Augspurgscher Confeßion“. Rheinischer Adel und Kirchenpolitik zur
Zeit der Reformation und Konfessionalisierung, in: Monika Gussone /
Hans-Werner Langbrandtner / Peter K. Weber: Zwischen Macht und
Ohnmacht. Spielräume adliger Herrschaft im frühneuzeitlichen
Rheinland, Bielefeld 2020, Seite 195-229;, Martin Otto Braun: An den
Wurzeln der Tugend. Rheinischer Adel und Freimaurerei 1765-1815, Köln
2015, 316 Seiten; Michael Embach: Rheinischer Adel und Deutsche
Klassik. Die Beziehungen der Dalberg-Brüder zum „Weimarer
Musenhof“, in: Peter Ensberg / Jürgen Kost (Hg.):
Klassik-Rezeption. Auseinandersetzung mit einer Tradition
(Festschrift für Wolfgang Düsing), Würzburg 2003, Seite 19-33;
Gudrun Gersmann / Hans-Werner Langbrandtner / Ulrike Schmitz (Hg.):
Im Banne Napoleons. Rheinischer Adel unter französischer Herrschaft.
Ein Quellenlesebuch (Band 4 der Schriften der Vereinigten
Adelsarchive im Rheinland), Essen 2013, 336 Seiten; Norbert
Schloßmacher: Der Rheinische Adel und der Kulturkampf. Kämpfer für
die Rechte seiner heiligen Mutter am Beispiel der Familie von Loë
und anderer rheinischer Adelsfamilien, in: Gemeindeverwaltung Weeze
(Hg.): Die Freiherren und Grafen von Loë auf Schloss Wissen, Weeze
2015, Seite 66-94; F. Graf von Metternich: Die Rheinlande und ihr
Adel in der deutschen Geschichte, in: Deutsches Adelsblatt (Berlin),
Jahrgang XLV, Ausgabe Nr.18 vom 21. Juni 1927, Seite 385-386;
Johannes Mötsch: Adlige Dingtage. Keine Kuriosa der rheinischen
Rechts- und Verfassungsgeschichte, in: Rheinische
Vierteljahrsblätter. Mitteilungen des Instituts für geschichtliche
Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn, Bonn 1995,
Jahrgang LIX, Seite 325-329; Freiherr von Salis-Soglio: Der
Rheinische grundbesitzende Adel, in: Deutsches Adelsblatt (Berlin),
Ausgabe Nr. 8 vom 17. Februar 1934, Seite 127-128; usw.
- [15] = Dazu siehe Deutsches Adelsarchiv (Hg.): Adelslexikon des
Genealogischen Handbuches des Adels, Limburg an der Lahn: C. A.
Starke 1972-2008, 17 Bände mit Artikeln zu den Einzelfamilien.
- [16] = Video „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr. Die
Pressekonferenz zur Aus[s]tellung“ seitens des Youtube-Kanals „Ruhr
Museum“ unter der virtuellen Adresse „https://youtu.be/8TcJX9P7M9I“
gemäß Abruf vom 12. Dezember 2021 bei 47:28 min.
- [17] = Dazu siehe Eckart Conze: Etagenadel, in: Eckart Conze (Hg.): Kleines
Lexikon des Adels, München 2005, Seite 82; Dolf Baron von Haaren:
Ein Ruck gehe durch die VdDA (betrifft Jugendmangel, Aufbau einer
Adelszentrale, Diskussion und Abgrenzung zum „Etagenadel“), in:
Deutsches Adelsblatt, Jahrgang XXXVIII, Kirchbrak 1999, Seite
118-120; Horst W. von Rohr: Leserbrief (betrifft Abgrenzung zum
„Etagenadel“), in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang XXXVIII,
Kirchbrak 1999, Seite 182-183; Gerrick Baron von Hoyningen genannt
Huene: Aus Tradition in die Zukunft. Einführung in den Festakt 50
Jahre VdDA, in: Deutsches Adelsblatt. Mitteilungsblatt der
Vereinigung der Deutschen Adelsverbände (Kirchbrak), Jahrgang 45,
Ausgabe Nr. 12 vom 10. Dezember 2006, Seite 310-311 (betrifft unter
anderem „Etagenadel“). –
Zur längeren Tradition verarmten Adels siehe Ewald Frie: Armer Adel
in nachständischer Gesellschaft, in: Ronald Gregor Asch (Hg.): Adel
in Südwestdeutschland und Böhmen 1450-1850, Stuttgart 2013, Seite
207-221; Ewald Frie: Oben bleiben? Armer preußischer Adel im 19.
Jahrhundert, in: Gabriele Berta Clemens / Malte König / Marco
Meriggi (Hg.): Hochkultur als Herrschaftselement. Italienischer und
deutscher Adel im langen 19. Jahrhundert, Berlin 2011, Seite 327-340;
Gerhard E. Sollbach: Armer Adel auf Haus Herbeck, in: Hagener
Heimatbund (Hg.): HagenBuch. Impulse zur Stadt-, Heimat- und
Kunstgeschichte, Band 6 (2012), Hagen 2011 [sic!], Seite 197-200;
Chelion Begass: Armer Adel in Preußen 1700-1830, 457 Seiten (Band 52
der Reihe „Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und
preußischen Geschichte“); Johanna Singer / Jacek Klimek: Armer
Adel 1700 bis 1900, in: Mitteilungen der Residenzen-Kommission der
Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Neue Folge (Stadt und
Hof), Jahrgang III., Kiel 2014, Seite 85-95; Johanna Mirjam Singer:
Arme adlige Frauen im Deutschen Kaiserreich, Tübingen 2016, 452
Seiten. –
Überhaupt ist im Katalog feststellbar, daß im Narrativ der
Ausstellungsmachenden adelige soziale Mobilität „nach oben“ eine
größere Rolle spielt (Nobilitierungen, Standeserhebungen) als die
Mobilität „nach unten“, denn Bemerkungen zu Verarmung,
Adelsentzug oder Adelsverzicht konnten nicht
in gleichem Gewicht ermittelt werden. Siehe dazu jedoch Paula
Kronheimer: Grenzglieder des Standes, in: Kölner Vierteljahrsshefte
für Soziologie, Band 6, München 1927, Seite 248-268. So war
beispielsweise, um den Regionalbezug herzustellen, im Jahre 1858
durch das Soester Kreisgericht die Dienstmagd Julie von E. zum
strafrechtlichen Adelsverlust, zu 3 Monaten Gefängnis, zur
Untersagung der bürgerlichen Ehrenrechte auf 1 Jahr und zur Stellung
unter Polizeiaufsicht verurteilt worden. Siehe dazu Geheimnes
Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Dahlem, Bestand I.
Hauptabteilung Rep.100 Ministerium des Königlichen Hauses Nr. 3750,
Eintragsnummer 528 sowie ibidem, jedoch Nr. 3774, Blatt 59
Vorderseite bis 61 Vorderseite (es handelte sich der letzterwähnten
Quelle zufolge um die 17jährige Tochter des vermögenslosen und
unter Kuratel stehenden Friedrich Wilhelm von E. aus Soest;
verurteilt worden war sie wegen des Diebstahls eines Schuhpaars und
eines Umschlagetuches ihrer Dienstherrschaft. –
Der Katalogtext handelt also im Sinne der Bemerkung Kühnels (2013):
„Allgemein ist für die Adelsforschung zu konstatieren, dass sie
sich in erster Linie auf die erfolgreichen Adeligen und ihren Kampf
ums Obenbleiben fokussiert. Diejenigen, die ihren Status nicht
verteidigen konnten, fallen in dieser Sichtweise häufig aus dem
Stand heraus und sind deshalb – weil sie nicht mehr als Adelige
gelten – uninteressant.“ Zitiert nach Florian Kühnel: Kranke
Ehre? Adlige Selbsttötung im Übergang zur Moderne, München:
Oldenbourg 2013, Seite 22.
- [18] = Zum Topos und zur Begrifflichkeit der „Erinnerungsgemeinschaft“
derjenigen Personen, die ehemalige Adelszeichen oder -titel nach 1919
im Namen trugen, siehe Michael Seelig: Alltagsadel. Der ehemalige
ostelbische Adel in der Bundesrepublik Deutschland 1945/49-1975, Köln
/ Weimar / Wien: Böhlau 2015, Seite 430-436.
- [19] = Peter Gross: Klasse für sich, in: Daniela Klimke / Rüdiger Lautmann
/ Urs Stäheli / Christoph Weischer / Hanns Wienold (Hg.): Lexikon
zur Soziologie, Wiesbaden: Springer VS 6. Auflage 2020, Seite 385. Im
Gegensatz dazu siehe Ottheim Rammstedt: „Klasse an sich, in der
marxistischen Theorie Bezeichnung für eine Klasse, die noch nicht
zum Bewusstsein ihrer eigenen Interessenlage gekommen ist. Die
Mitglieder der K.a.s. weisen zwar aufgrund ihres Verhältnisses zu
den Produktionsmitteln gleiche Interessen auf, sind sich jedoch noch
nicht ihrer im Klassengegensatz objektiv gegebenen Gemeinsamkeit
bewusst und haben sich noch nicht zur Klasse als Handlungseinheit
zusammengefunden.“ Zitiert nach ibidem, Seite 385.
- [20] = Dazu siehe Friedrich v.Sydow: Über die Verarmung adeliger Familien,
in: Zeitung für den Deutschen Adel, Jahrgang IV, Altenburg 1843,
Seite 327-328, 331-332, 335-336, 339-340 und 343-344; Peter Nathaniel
Stearns (Hg.): Encyclopedia of European social history from 1350 to
2000, New York 2001, Bände 1-6 mit 553, 553, 526, 524, 529 und 501
Seiten [betrifft unter anderem verarmten Adel, siehe dazu die Verweis
im Register in Band 6 auf Seite 464]; Nomen Nescio: Verarmte Adlige,
in: Neues Wiener Journal 1. Oktober 1911, Seite 5; Nomen Nescio:
Verarmte Aristokraten, in: Neues Wiener Journal (Wien), Ausgabe Nr.
7132 vom 31. August 1913, Seite 5-6; Begass, Chelion / Singer,
Johanna: Arme Frauen im Adel. Neue Perspektiven sozialer Ungleichheit
im Preußen des 19. Jahrhunderts, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.):
Archiv für Sozialgeschichte, Band 54, Bonn 2014, Seite 55-78;
Lorenz, Stephanie: Verarmungsverläufe bei adligen Frauen.
Bittschriften an den preußischen König in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts, Berlin 2011, 114 Seiten (Magisterarbeit Universität
Trier 2011); Nomen Nescio (C.): Verein der Adelsgenossenschaft gegen
Verarmung ihrer Glieder, in: Zeitung für den Deutschen Adel,
Jahrgang IV (1843), Seite 81-82, et cetera.
- [21] = Auch das kann nur behauptet werden, wenn man wesentliche
Verflechtungen zwischen Adel und Nichtadel ausblendet und nicht
wahrnimmt. Zur Abhängigkeit der Adelsexistenz von nichtadeligen
Umwelten siehe exemplarisch a) Christine van den Heuvel: Amt und
Kredit. Justus Möser als Kreditgeber des Osnabrücker Adels, in:
Jürgen Schlumbohm (Hg.): Soziale Praxis des Kredits [vom] 16. -20.
Jahrhundert, Hannover 2007, Seite 81-97; b) Ralf Dahrendorf: Homo
sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der
Kategorie der sozialen Rolle, Köln: Westdeutscher Verlag 1959, 71
Seiten; c) Claus Heinrich Bill: Zur Theorie und Praxis der Deferenz
als soziohistorisches nichtadeliges Interaktionsritual gegenüber dem
Adel (1/3), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift
für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXIII., Folge Nr. 111,
Sonderburg 2020, Seite 2-52; fortgesetzt in Folge Nr. 112, Sonderburg
2020, Seite 2-52 (Teil 2/3) und in Folge Nr. 113, Sonderburg 2020,
Seite 2-17 (Teil 3/3); d) Claus Heinrich Bill: Einführung in das
neue konstruktivistische Adelskonzept „Un/doing nobility“ mit
aktueller Forschungssynopse, in: Institut Deutsche Adelsforschung
(Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXII.,
Folge Nr. 108, Sonderburg 2019, Seite 13-42; e) Erving Goffman:
Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation,
Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1986, Seite
54-105 (Kapitel „Über Ehrerbietung und Benehmen“); f) Sven
Solterbeck: Blaues Blut und rote Zahlen. Westfälischer Adel im
Konkurs 1700-1815, Münster 2018, 455 Seiten. –
In Ausstellung und Katalog sind Adel und Nichtadel voneinander
getrennt dargestellt worden, nicht nur hinsichtlich der ständischen
Gesellschaft (Seiten 23 und 34); sie werden sogar durch Bediente noch
gedanklich auseinandergerückt, weil Domestik*innen von den
Katalogschreibenden als Medium zwischen Bevölkerung und Adel
verstanden werden (Seite 268). Dabei ist dieser Eindruck irreführend,
da Bediente aus der Bevölkerung stammten, also keine Mittlerfunktion
besitzen konnten; sie stellten schließlich keinen eigenen „Stand“
dar. Im Gegenteil war an Bedienten die je direkte alltägliche
Kooperation (oder Konflikthaftigkeit) zwischen Adel und Bevölkerung
ablesbar. –
Darüber hinaus sind andere Erklärungen der Ausstellungsmachenden
zur ständische Gesellschaftsvorstellung nicht nur verwirrend,
sondern widersprüchlich. So heißt es an einer Stelle, die
Ständegesellschaft habe in der Realität aus Adel, Klerus und
drittem Stand, der “Bürger, Handwerker, Bauern und das ‚gemeine
Volk‘“ umfaßt habe, bestanden (Seite 23); an anderer Stelle dann
heißt es aber, daß in dem idealiter gedachten Dreiständeschema
Bürger gar nicht enthalten gewesen seien (Seite 34). –
Eine andere irritierende Behauptung ist, daß Kinder von Adeligen mit
Kinderkutschen, die von Ponys, Kindern, Kindermädchen oder
Hausburschen gezogen worden sein sollen, den Umgang mit Zugtieren
einübt hätten (Seite 121); die Bemerkung erscheint jedoch nur für
die Ponys als Zugtiere zulässig, da man mit Kindern, Kindermädchen
und Hausburschen den Umgang mit Tieren nicht einüben konnte.
Gleichwohl ist der Hinweis auf derlei Kutschen und auch die
Ausstellung einer solchen in der „Kohlenwäsche“ löblich, da sie
einen wichtigen artefaktlichen Bestandteil adeliger Pädagogik,
Erziehung und der Sozialisation darstellt. –
Eine weitere auffallende Ungereimtheit besteht indes darin, daß an
anderer Stelle geistliche mit weltlichen Ritterorden verwechselt
werden (Seite 330).
- [22] = Zum Begriff siehe Andreas Kemper / Heike Weinbach: Klassismus. Eine
Einführung, Münster: Unrastverlag 4. Auflage 2021, 188 Seiten.
- [23] = Dazu siehe zusammenfassend Christian von Scheve: Thorsten Veblen. The
theory of the leisure class, in: Klaus Kraemer (Hg.): Schlüsselwerke
der Wirtschaftssoziologie, Wiesbaden: Springer VS 2. Auflage 2021,
Seite 59-67; das Original erschien unter Thorstein Bundle Veblen:
The Theory of the leisure class. An economic study in the evolution
of institutions, New York: Macmillan 1899, VIII und 400 Seiten.
- [24] = Zu dieser wichtigen Unterscheidung siehe Bruno Latour: Eine neue
Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die
Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main 2010, Seite 63: „Sobald
man aufhört, Gruppen zu bilden und umzubilden, gibt es keine Gruppen
mehr“.
- [25] = Dazu siehe vertiefend die Bemerkungen zur „Ständegesellschaft“
bei Friedrich Jaeger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit, Band XII,
Stuttgart 2010, Spalte 865-872, bei Wolfgang Reinhard: Lebensformen
Europas. Eine historische Kulturanthropologie, München 2004, Seite
315-318, bei Gerd Reinhold (Hg.): Soziologie-Lexikon, München
4.Auflage 2000, Seite 646, bei Günter Endruweit: Wörterbuch der
Soziologie, Konstanz 3. Auflage 2014, Seite 513-514 sowie bei
Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 5. Auflage
2007, Seite 854-855. –
Zum Milieu siehe Hans-Uwe Otto / Hans Thiersch (Hg.): Handbuch
Soziale Arbeit, München 4. Auflage 2011, Seite 769-795 (hier in
Verknüpfung als „Klasse, Schicht, Milieu“, aber auch ohne diese
Verflechtung Gerd Reinhold (Hg.): Soziologie-Lexikon, München 4.
Auflage 2000, Seite 433 (Milieutheorie).
- [26] = Dazu siehe Kai-Olaf Maiwald / Inken Sürig: Mikrosoziologie. Eine
Einführung, Wiesbaden / Heidelberg: Springer VS 2018, VII und 227
Seiten; Hilmar Schäfer: Die Instabilität der Praxis. Reproduktion
und Transformation des Sozialen in der Praxistheorie, Weilerswist:
Velbrück Wissenschaft 2020, 432 Seiten.
- [27] = Dazu siehe Reinhard Schotola: Menschen auf Würting. Familien,
Schicksale, Zeitbezüge. Schloss Würting. Von den Grafen von
Wels-Lambach bis zu den Seeauer, von Einschildrittern, Söldnern,
Eisenhändlern, Salzbaronen, Industriegründern, von Lutheranern und
Katholiken, von altem und neuem Adel, von englischen Gräfinnen und
Kohlenbaronen, Offenhausen 2016, 151 Seiten (betrifft unter anderem
Aristokratisierungsformen der Schlotbarone, Kohlenbarone, Salzbarone
und Einschildritter); Claus Heinrich Bill: Grubenbaron, in: Institut
Deutsche Adelsforschung (Hg.): Kulturwissenschaftliches Wörterbuch,
Lieferung Nr. 8, Sonderburg 2018, Seite 384-392. –
Zum Aristokratismus siehe Jens Wietschorke: Aristokratismus als
kulturwissenschaftliches Problem. Seminarnotizen zu einer
europäischen Sozialformation, in: Heidrun Alzheimer / Sabine
Doering-Manteuffel / Daniel Drascek / Angela Treiber (Hg.): Jahrbuch
für europäische Ethnologie [herausgegeben im Auftrag der
Görres-Gesellschaft], Band 13 [Länderschwerpunkt Dänemark],
Paderborn 2018, Seite 265-283; Eckart Conze / Wencke Metelig / Jörg
Schuster / Jochen Strobel (Hg.): Aristokratismus und Moderne. Adel
als politisches und kulturelles Konzept 1890-1945, in: Eckart Conze /
Wencke Meteling / Jörg Schuster / Jochen Strobel (Hg.):
Aristokratismus und Moderne. Adel als politisches und kulturelles
Konzept 1890-1945, Köln / Weimar / Wien 2013, Seite 9-29.
Aristokratismen haben sich indes auch anderweitig eingeschlichen, so
wenn im Abschnitt über „Gärten und Parks“ (Seite 230-241) ein
Plan der Villa Hügel von 1870 präsentiert wird (Seite 241), die zu
dieser Zeit gar nicht in adeliger Hand war, sondern lediglich dem
„großbürgerlichen“ Industriellen Alfred Krupp gehörte. Der
eigenen Ausstellungsdefinition von Adel als einer Gruppe von
„Menschen mit erblichen Privilegien“ (Seite 22) entspricht diese
bild-textliche Herzunahme nicht. Außer dieser Minimal-Definition
wird der Begriff „Adel“ leider nicht hinreichend reflektiert,
wenngleich auch unsystematisch –
hier und dort im Katalog –
angereichert, so exemplarisch durch die folgende Bemerkung: „Die
Zugehörigkeit zum Adel zeigte sich nicht nur im politischen,
rechtlichen und sozialen Status, sondern vor allem in seinen
Wohnformen“ (Seite 218).
- [28] = Dazu findet sich im Katalog außerdem der wichtige bibliographische
Hinweis auf ein Bautagebuch. Dies weiterverfolgend hätte man –
oder könnte zukünftig in einer anderen Ausstellung –
auch noch eine großflächige Karte erstellen mit Herkunftsorten und
je nach im/materiellen Human/Aktanten farbigen Fäden, die auf die
Koordinaten von Schloss Horst (heute zur Stadt Gelsenkirchen
gehörend) zulaufen. –
Siehe dazu a) Förderverein Schloß Horst (Hg.): Adelskultur der
Frühen Neuzeit in Westfalen und am Niederrhein am Beispiel der
Herrschaft Horst im Emscherbruch. Ergebnisse der Jahrespartnerschaft
2018/2019 des Instituts für niederrheinische Kulturgeschichte und
Regionalentwicklung des Universität Duisburg-Essen und des Museums
Schloß Horst in Gelsenkirchen, Gelsenkirchen-Horst 2021, 111 Seiten,
sowie b) vergleichbar Carolin Sophie Prinzhorn: Das Bautagebuch des
Rudolf von Dincklage aus den Jahren 1597 bis 1603, in: Historische
Hausforschung im Archiv, Heidenau: PD-Verlag 2018, Seite 188-206. –
Anbieten würde sich fernerhin für herausragende Artefakte –
wie das Zeremonialschwert des Frauenstiftes Essen (Seite 31) –
auch der Versuch einer Dingbiographie, in der Entstehung,
Netzwerkbildung, Aufbewahrung, Restaurierung und Verwendung über die
„longue durée“ seiner Existenz hin analysiert werden könnte.
Siehe dazu Dietrich Boschung / Patric-Alexander Kreuz / Tobias
Kienlin (Hg.): Biography of objects. Aspekte eines kulturhistorischen
Konzepts, Paderborn: Wilhelm Fink 2015, 192 Seiten (Band 31 der Reihe
„Internationales Kolleg Morphomata“). –
Allerdings warnte Hahn (2015) davor, allzu sehr auf „das
Einzelding“ zu schauen: „Zusammenstellungen von Dingen sind
vielleicht die wichtigste Quelle, um Kontexte und damit auch
Bedeutungen zu rekonstruieren. Dinge in ihrem Zusammenhang zu
beobachten, kann überhaupt als der zentrale Zugang bezeichnet
werden, um Lebenswelten und sinnhaftes Handeln zu verstehen. All
diese Pfade [der] Erkenntnis werden verschüttet oder wenigstens
vernachlässigt, wenn wir der gefährlichen Metapher der
Objektbiographien folgen“. Zitiert nach Hans-Peter-Hahn: Dinge sind
Fragmente und Assemblagen. Kritische Anmerkungen zur Metapher der
‚Objektbiografie‘, in: Ibidem, Seite 25. Sicherlich reizvoll
wären aber für die museumspädagogische Vermittlung sowohl
Netzwerkanalysen als auch herausragende „Dingbiographien“.
- [29] = Die Aussage stützt sich auf Gisela Framke / Gisela Marenk
(Hg.): Wie belieben? Zur Situation von Dienstboten 1850 bis 1914,
Dortmund: Deutsches Kochbuchmuseum 1989, 64 Seiten. Weiter heranzuziehen
wären neuere Forschungsergebnisse, so auch Birgit Speckle / Bettina
Keß: Ein Sommerschloss in Aschach. Die Grafen von Luxburg, ihre
Dienstboten und die Dorfbewohner, in: Bayerische Akademie der
Wissenschaften / Kommission für Bayerische Landesgeschichte (Hg.):
Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde, München 2018, Seite 111-153;
Sabine Hödl: Salondamen und Dienstboten. Jüdisches Bürgertum um
1800 aus weiblicher Sicht, Sankt Pölten: Institut für jüdische
Geschichte Österreichs, Sankt Pölten 2009, 76 Seiten; Birgit A.
Jensen: „Was sind wir Dienstboten doch für elende Geschöpfe!“
Female working-class agency in two German autobiographies at the turn
of the century, in: Marjanne E. Goozé (Hg.): Challenging separate
spheres, Oxford: Lang 2007, Seite 211-231; Eva Eßlinger: Das
Dienstmädchen, die Familie und der Sex. Zur Geschichte einer
irregulären Beziehung in der europäischen Literatur, München /
Paderborn: Fink 2013, 389 Seiten, et cetera.
- [30] = Allerdings läßt sich beispielsweise das in diese argumentative
Richtung eines "sittenlosen" Adels gehen könnende „Jus primae noctis“ im praktischen
Vollzug nur schwerlich nachweisen; siehe dazu Jörg Wettlaufer: Das
Herrenrecht der ersten Nacht. Hochzeit, Herrschaft und Heiratszins im
Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main: Campus
1999, 430 Seiten (zugleich Dissertation an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1998).
- [31] = Dazu siehe Claus Heinrich Bill: Zur Theorie und Praxis der Deferenz
als soziohistorisches nichtadeliges Interaktionsritual gegenüber dem
Adel (1/3), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift
für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXIII, Folge Nr. 111,
Sonderburg 2020, Seite 2-52; fortgesetzt in Folge Nr. 112, Sonderburg
2020, Seite 2-52 (Teil 2/3) und in Folge Nr. 113, Sonderburg 2020,
Seite 2-17 (Teil 3/3).
- [32] =
Für gewöhnlich wurden dazu jedoch abgelegte Kleider nicht der
Domestik*innenschaft, sondern der Adeligen selbst benützt; siehe
dazu die Annoncen, wie sie beispielsweise in der Illustrierten
Kronen-Zeitung (Wien), Ausgabe Nr. 5387 vom 31. Dezember 1914, Seite
16, erschienen waren: „Großartige Gelegenheitskäufe. Von höchster
Aristokratie: Strassenkostüme, Soireekleider, Bühnentoiletten,
Stoffmäntel, Tuchjacken, Plüschjacken, Samtjacken, Schöße,
Blusen, Pelzgarnituren, Hüte, Schuhe etc. Riesenauswahl.
Spottpreise. Erstes Wiener Herrschaftskleiderhaus Frieme [Frida]
Kretz, 20. Bez.[irk], Brigittenauerlände [sic!] 28. Tür 17-19.
Telephon 14.853.“
- [33] = Es könnte eingewendet werden, daß es sich dabei lediglich um ein
Zitat aus der Krünitzschen Enzyklopädie aus dem 19. Jahrhundert
handelt (Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie, Band 17,
Berlin: Joachim Pauli 1779, Seite 675: „Denn sie werden in solchem
Anzuge für Leute angesehen, die sie doch nicht sind“), das
„erspart“ jedoch ist ein pejorativer Begriff, der von den
Autor*innen 2021 stammt, die damit die ehemalige Krünitzsche Haltung
verstärken und befürworten. Zudem ist falsch zitiert worden (Seite
272), denn in der oben genannten und zitierten Krünitz-Enzyklopädie
ist ein behauptetes Lemma „Gesinde-Kleidung“ nicht ermittelbar,
nur ein Lemma „Gesinde“, innerhalb dessen dann unter anderem über
Kleidung gesprochen wird.
- [34] = Dazu siehe Eva L.-Waniek: Von der Anrufung des Subjekts oder zum
Verhältnis von Performativität, Zwang und Genuss bei Butler,
Austin, Althusser und Lacan, in: Arno Böhler (Hg.): Ereignis Denken,
Wien: Passagen-Verlag 2009, Seite 157-194, aber auch Daniel Warna /
Marion Ott: Anrufung, in: Daniel Wrana / Alexander Ziem / Martin
Reisigl / Martin Nonhoff / Johannes Angermuller (Hg.): DiskursNetz.
Wörterbuch der interdisziplinären Diskursforschung, Frankfurt am
Main 2014, Seite 30-31.
- [35] = Es werden zum Komplex des Adels-“Bildes“ als sozialer Rollentypus
oder Soziotyp einer gesellschaftlichen Minderheit zwar auch negative
Ausprägungen vorgestellt, dies jedoch nicht im Kapitel der
„Faszination“, sondern –
merkwürdig unverbunden –
im Kapitel „Standesbewusstsein. Machtverlust und Machterhalt“
(Seite 173-175).
- [36] = Die gegenteilige Meinung vertritt indes Gerd Janke: Adelsnamen in der
DDR, in: Neue Justiz, München 2013, Heft 2, Seite 62-64 (betrifft
den „Karnevalsadel“, das heißt die ausdrückliche ministerielle
Genehmigung, den Adel als historische Sozialformation durch den
Gebrauch von fiktionalen Adelstiteln im Karneval der Lächerlichkeit
preiszugeben).
- [37] = Dazu siehe Erving Goffman: Interaktionsrituale. Über Verhalten in
direkter Kommunikation, übersetzt von Renate Bergsträsser und
Sabine Bosse, Frankfurt am Main: Suhrkamp 12. Auflage 2019, 291
Seiten (darin ein Kapitel über „Ehrerbietung“).
- [38] = Dazu siehe a) Jochen A. Bär: Historische Semantik aus
hermeneutisch-linguistischer Perspektive – Dimensionen von Adel um
1800, in: Franz Bölsker / Michael Hirschfeld / Wilfried Kürschner /
Franz-Josef Luzak (Hg.): Dona Historica – Freundesgaben für Alwin
Hanschmidt zum 80. Geburtstag, Berlin 2017, Seite 361-396, b) Claus
Heinrich Bill: Gesellschaftliche Adelsvorstellungen und ihre
Bedeutung für die soziale Erzeugung der Gentilhommerie im 19.
Jahrhundert, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift
für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXI., Folge Nr. 101,
Sonderburg 2018, Seite 2-52 (mit einer Zusammenfassung des noch
unbefriedigenden Forschungsstandes), c) Kai Drewes: Jüdischer Adel.
Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts, Frankfurt
am Main 2013, 467 Seiten (betrifft unter anderem die „Adelsfabrik
Portugal“); ferner dazu exemplarisch Nomen Nescio: Eine
Adelsfabrik, in: Ostdeutsche Rundschau (Wien) Abend-Ausgabe Nr. 132
vom 15. Mai 1901, Seite 2: „Man schreibt uns aus Petersburg: In
Kutais, der Hauptstadt von Mingrelien, wo auch der Adelsmarschall
dieses Guberniums Fürst Zereteli seinen Sitz hat, wurde eine
förmliche Adelsfabrik entdeckt. Wer einige hundert Rubel spendirt,
erhielt ein Adelsdiplom und wurde in die mingrelische Adelsmatrikel
eingetragen. Die Regierung hat den Staatsrath Mickiewicz zur
Untersuchung dieser Mißbräuche nach Kutais entsendet.“
- [39] =
Zu dieser durchaus treffenden Bezeichnung für die
„Vermittlungsstelle“ siehe Georg Freiherr von Frölichsthal:
Glosse, in: Deutsches Adelsblatt. Magazin der deutschen Adelsverbände
(Kirchbrak), Jahrgang 58, Ausgabe Nr. 1 vom 15. Januar 2019, Seite 5
(„Adelsfabriken“, Teil 1/2) und Ausgabe Nr. 2 vom 15. Februar
2019, Seite 5 („Adelsfabriken“, Teil 2/2) –
Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf Lisa Oenning: Was der
Billig-Baron aus dem Internet taugt. Für zwölf Euro können
Verbraucher im Internet Adelstitel kaufen. Die Händler versprechen
private und berufliche Vorteile. Was die Namenszusätze den Käufern
wirklich bringen und was der echte Adel davon hält. Ein Blick ins
WiWo-Archiv, erstellt am 11. Dezember 2021 als Neuausgabe eines
älteren Online-Artikels; erreichbar unter der URL
„https://www.wiwo.de/13825940.html“ (gemäß Abruf vom 16.
Dezember 2021).
- [40] = Zu einem solchen Fall siehe den Karikaturisten und Maler Lothar
Blickensdorf aus Münster, der sich als körperliches Gesamtkunstwerk
versteht; dazu siehe Gunda Bartels: Wer nix wird, wird Graf. Adelig
zu werden war die beste Idee seines Lebens, sagt Lo von Blickensdorf.
Heute liest der selbsternannte Blaublüter in Kreuzberg aus seinen
Abenteuern, in: Der Tagesspiegel, Ausgabe Nr. 20492 vom 7. Januar
2010, Seite 11; Lo Graf von Blickensdorf: Werden Sie doch einfach
Graf! Biste was, kriegste was, Berlin 2009, 191 Seiten; Ina Brzoska:
Kalorienfreies Kaffeekränzchen im Kaschmir-Sakko. Lo Graf von
Blickensdorf ist Berlins beliebtester Tortenblogger. Fans aus aller
Welt teilen mit ihm das Konditern und die Liebe zum Kuchen, in:
Berliner Morgenpost, Ausgabe Nr. 65 vom 7. März 2011, Seite 16; Rolf
Kremming: Graf Quickie. Seit sich Maler Lo Blickensdorf einen
Adelstitel zugelegt hat, ist er beliebt wie nie zuvor, in: Morgenpost
am Sonntag, Ausgabe vom 21. Juni 2009, Seite 20-21; Andreas Kurtz:
Der Schnäppchengraf im Ein-Euro-Jackett. Der Maler Lo Graf von
Blickensdorf hat sich selbst geadelt und damit gute Erfahrungen
gemacht, in: Berliner Zeitung (Berlin), Ausgabe Nr. 304 vom 31.
Dezember 2009, Seite 24; Andreas Kurtz: Im Schlepptau des Freiherrn.
Maler Lo Graf von Blickensdorf profitiert vom Adelsboom und kann sich
endlich ordentlich ausweisen, in: Berliner Zeitung, Ausgabe Nr. 256
vom 2. November 2010, Seite 22.
- [41] = Es gab zwar eine gleichnamige –
recht berühmte –
Familie „v.E.“, aber diese besaß keinen Grafenstand; siehe dazu
Adelslexikon des Genealogischen Handbuches des Adels, Band III,
Limburg an der Lahn: C. A. Starke 1975, Seite 102-103.
- [42] = Dazu siehe Wolfgang Loos: Namensänderungsgesetz. Kommentar, Neuwied:
Luchterhand 2. Auflage 1996, 274 Seiten. Ein anderer Widerspruch: Auf
Seite 344 ist von einem „Adelsverband“ die Rede, der sowohl
„Mitglieder[n] aus adeligen Familien als auch solchen „mit
adeligen Namen“ offenstehe. Zur zugrunde liegenden Diskussion siehe
indes Hans Friedrich von Ehrenkrook: Familienverbände des Uradels
nun mit nichtadeligen Mitgliedern? Geben die Familienverbände des
Adels ihre Grundlagen auf?, in: Deutsches Adelsarchiv (Westerbrak),
Jahrgang II, Ausgabe Nr. 8 vom 15. August 1956, Seite 146; Sigismund
Freiherr von Elverfeldt-Ulm: Sollen die Aufnahmebedingungen adliger
Familienverbände mit dem historischen Adelsrecht übereinstimmen?,
in: Deutsches Adelsblatt. Mitteilungsblatt der Vereinigung der
Deutschen Adelsverbände (Kirchbrak), Jahrgang 41, Ausgabe Nr. 7 vom
15. Juli 2002, Seite 172-176 (betrifft die kontroverse Diskussion um
die Frage, ob sogenannte „nichtadelige Namensträger“ Mitglied
eines sogenannten „adeligen“ Familienverbandes werden sollten
oder dürften, enthält zudem ein Plädoyer für die Nichtzuerkennung
von aktivem und passivem Wahlrecht in Familienverbänden „des
Adels“ für „Lebensabschnitts-PartnerInnen“, Adoptierte und
uneheliche Kinder unter weiterer Berücksichtigung des historischen
Adelsrechtes).
- [43] = Siehe dazu Nomen Nescio: Lord oder Lady zum Schnäppchenpreis. In
Schottland kann man für ein paar Euro einen Adelstitel kaufen oder
ist das nur Touristennepp?, in: Aachener Nachrichten (Aachen),
Ausgabe vom 23. August 2018, Seite 5; Britta Hinkel: Mit Tricks zum
Adelstitel. Der Graf aus dem Internet bringt im wahren Leben nur
Probleme und keinerlei Ruhm, in: Thüringer Allgemeine (Erfurt) vom
10. April 2008, Seite 110 (enthält eine Stellungnahme von Maik
Buhalu vom Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar als Experte für
Namensrecht). –
Zum klassischen Adelsrecht siehe ferner Thomas Freiherr von
Fritsch-Seerhausen: Adelsrecht, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang
XXXV, Kirchbrak 1996, Seite 88-90 (betrifft unter anderem das
Salische Recht und die Weitergabe des Adels im Mannesstamm); Heiner
Baron von Hoyningen-Huene: Das historische Adelsrecht als Grundlage
für den Adel heute, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang 59
(Westerbrak), Ausgabe Nr. 1 vom 15. Januar 2020, Seite 10-13
(ebenfalls zum Salischen Recht); Moritz Graf Strachwitz: Salisches
Recht, in: Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des Adels, München:
C. H. Beck 2005, Seite 213.
- [44] = Dazu siehe Nomen Nescio: Die Vereinigung der Deutschen Adelsverbände
gibt bekannt. Adelsrechtliche Voraussetzungen für die Aufnahme und
Mitgliedschaft in den regionalen Adelsverbänden, in: Deutsches
Adelsarchiv, Jahrgang XV, Melle 1959, Seite 170.
- [45] = Hier hätte ein Lektorat mit historischer Quellenkritik gut getan;
der Artikel verläßt sich nämlich nur auf die eigene Webseite
desjenigen, der dieser Papiere im Internet verkauft.
- [46] = Claus Heinrich Bill: Konzept des Adelsbegriffs „Un/doing Nobility“,
in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen
Adelsgeschichte 4. Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten
Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und
Modellen, Sonderburg 2018, Seite 40-41 (als Gegenentwurf zum
herkömmlichen statischen Forschungsmodell des „being nobility“,
wie es in der Ausstellung größtenteils noch immer verwendet wird.
- [47] = Gemäß Seite 211 sei der Freiherr die unterste Stufe der
Nobilitierung gewesen, was nicht dem traditionellen adelsrechtlichen
Verständnis entspricht, denn der Graf galt als der erste Grad des
Hochadels, der Freiherr dagegen gehörte zum Niederadel, war aber
andererseits auch nicht die erste Stufe des Niederadels. Siehe dazu
Wencke Meteling: Freiherr, in: Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon
des Adels. Titel, Throne, Traditionen, München: C. H. Beck 2005,
Seite 95, sowie Wencke Meteling: Graf, in: Ibidem, Seite 102.
- [48] = Es muß hier zudem „zu“ und nicht „von“ lauten gemäß
Fürstendiplom; siehe dazu Adelslexikon des Genealogischen Handbuches
des Adels, Band XII, Limburg an der Lahn: C. A. Starke 2001, Seite
214.
- [49] = Hier muß es nicht „oder“, sondern „und“ heißen.
- [50] = Erhebungen in den Fürstenstand konnten nicht vom damit Beliehenen
„in Auftrag“ gegeben werden, sie konnten höchstens beantragt
werden. Siehe dazu Harald von Kalm: Das preußische Heroldsamt
(1855-1920). Adelsbehörde und Adelsrecht in der preußischen
Verfassungsentwicklung, Berlin: Duncker & Humblot 1994, Seite
72-79 („Der Verfahrensgang“).
- [51] = Otto Titan von Hefner / Adolf Maximilian Ferdinand Gritzner /Ad. M.
Hildebrandt: J. Siebmachers grosses und allgemeines Wappenbuch in
einer neuen, vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage mit
heraldischen und historisch-genealogischen Erläuterungen. Ersten
Bandes dritte Abtheilung, Hoher Adel, I. Reihe. Die mediatisirten
Fürstengeschlechter in Deutschland, Nürnberg: Bauer & Raspe
1878, Seite 86. –
Eine weitere Ungenauigkeit findet sich auf Seite 191. Die im Katalog
so benannte Familie „Ostmann von der Leye“ heißt richtig „Ostman
von der Leye“ mit einem „n“; siehe dazu den Eintrag zur Familie
im (unter der Aufsicht des Deutschen Adelsrechtsausschusses von der
Stiftung Deutsches Adelsarchiv im hessischen Marburg an der Lahn)
herausgegebenen Adelslexikon des Genealogischen Handbuches des Adels,
Band X, Limburg: C. A. Starke 1999, Seite 85-86. –
Überhaupt scheinen eher laienhafte Blasionierungen verwendet worden
zu sein (ähnlich oberflächlich auch Seite 115). Die Verwendung
einfacher heraldischer Beschreibungen wäre im Katalog indes durchaus
opportun und verständlich gewesen, da vollständige Blasonierungen
für heutige Rezipierende nicht besonders lesefreundlich sind.
Allerdings hätte dazu ein kleiner Satz genügt, der darauf hinweist,
daß Blasonierungen eine eigene Fachsprache darstellten, die
ebenfalls zur adeligen Sozialisation und deren Beherrschung in
gewissen Zeiten zum adeligen Habitus gehörte. Zu einem
entsprechenden frühneuzeitlichen Lehrwerk siehe Christian Maximilian
Spener: Die Alte wahre Heroldts-Kunst, Hat der Durchlauchtigen Hohen
und Adelichen Jugend Bey Antretung seiner Profession Des Wahren
Heroldts-Rechtes und Genealogie, In der Königl. Fürsten- und
Ritter-Academie Hiemit kürtzlich entwerffen und recommendiren wollen
Christian Maximilian Spener, des Königlich Preußischen Hoffes und
Königlichen Academie Medicus, der Kayserl. Academie und Königlich
Preußischen Societät der Wissenschafften Mitglied, Cölln an der
Spree 1705, 4 Blatt und 36 Seiten. –
Zum Habitus als soziologischem Begriff siehe a) Monique de Saint
Martin: Der Adel. Soziologie eines Standes [Band 8 der Reihe Édition
discours], Konstanz 2003, 284 Seiten, b) Pierre Bourdieu: Die feinen
Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (übersetzt
von Bernd Schwibs und Achim Russer), Frankfurt am Main: Suhrkamp 28.
Auflage 2021, 910 Seiten (Band 658 der Reihe „Suhrkamp-Taschenbuch
Wissenschaft“). –
Zur Blasonierung als (aristokratisierende) Wappenbeschreibekunst
siehe Gert Oswald: Lexikon der Heraldik, Mannheim / Wien / Zürich:
Meyers Lexikonverlag 1985, Seite 68-73 (Lemma „ Blasonierung“). –
Hinzu tritt eine weitere Ungenauigkeit auf Seite 190; der dort
portraitierte Otto von V. (1869-1945) gehörte aus konventionell
adelsrechtlicher Sicht dem Adel nicht an, sondern war Angehöriger
und Vertreter einer Familie mit einem „von“ im Namen, die nicht
dem Adel angehörte. Siehe dazu Bernhart Jähnig / Knut Schulz (Hg.):
Festschrift zum 125jährigen Bestehen des Herold zu Berlin 1869-1994,
Berlin: Herold 1994, Seite 287; Friedrich Carl Esbach: Das Wort „von“
als Adelsprädikat, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang XXVI, Berlin
1908, Seite 4-5; Claus Heinrich Bill: Das Präfix „von“ im Namen
und der Adel, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas
zur deutschen Adelsgeschichte 3. Adelsgrafiken als Beitrag zur
komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung
dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg: Selbstverlag Institut
Deutsche Adelsforschung 2017, Seite 2-3. Demnach gab es Adelsfamilien
mit einem „von“, Adelsfamilien ohne ein „von“ sowie
Nichtadelsfamilien mit einem „von“ im Namen; der Normalfall der
Nichtadelsfamilien ohne „von“ ist hier –
im Fall „von V.“ –
nicht erwähnenswert.
- [52] = Der Ausstellungsarchitekt dagegen hatte stattdessen die Assoziation,
daß er die vordringlichste Aufgabe des Adels – dieser sei von
einem (nicht näher benannten Akteur) dazu verpflichtet gewesen –
in der Repräsentation nach außen sah. Diesen Umstand als
wichtigsten und prägendsten Aspekte „des Adels“ aufgreifend
sollten Symmetrie und Wiederholung die maßgeblichen Motive bei der
Ausstellungsplanung gewesen sein (Seite 17).
- [53] = Dazu siehe weiterführend Frank Hillebrandt: Die Soziologie der
Praxis als poststrukturalistischer Materialismus, in: Hilmar Schäfer
(Hg.): Praxistheorie. Ein soziologisches Forschungsprogramm,
Bielefeld: Transcript 2016, Seite 71-93.
- [54] = Hilfreich wäre es hier gewesen, weniger bidisziplinär (kunst-)
historisch (die drei leitenden Kuratorinnen der Ausstellung sowie die
Haupttexter*innen des Katalogs sind laut ihren im Gemeinsamen
Bibliotheksverbund der norddeutschen wissenschaftlichen Bibliotheken
ausgewiesenen höchsten akademischen Qualifikationsarbeiten von Hause
aus spezialisiert auf regionale Eisenbahngeschichte,
literaturhistorische Genderforschung und die Kunstgeschichte von
Naturdämonen), sondern eher kulturwissenschaftlich und
interdisziplinär auf das Thema zu schauen. Ausstellung und Katalog
sind daher „nur“ durch Historiker und Kunsthistoriker, nicht
aber durch Sozialwissenschaftler oder Vertreter*innen der
Historischen Sozialforschung oder Sozialgeschichte erstellt worden
(obzwar „der Adel“ eine genuin soziale Tatsache ist),
entsprechend verengt und verüblicht erscheinen die Ergebnisse und
Erkenntnisse. Hinzuweisen wäre aber auf die neuen Perspektiven, die
sich durch durch einen poststrukturalistischen Materialismus ergeben
hätten. Siehe dazu Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue
Gesellschaft, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010, 488 Seiten. Dazu
gehört, die Dinge von ihrem bisher wahrgenommenen und sie
degradierenden Objektcharakter zu befreien und ihnen einen
„Sobjektcharakter“ (Krajewski
spricht, etwas verunglückt, von „Quasi-Objekten“) zuzugestehen,
dazu gehört aber auch der Ansatz, den praktischen Vollzug von Adel –
seine Erzeugung und „Produktion“ als eine soziale Zuschreibung –
nicht als Folge, sondern als Ursache und praktisch wie performativ
vollzogene Hybridität der vielfältigen an der Adelserzeugung
beteiligten im/materiellen Human- und Nichthuman-Aktanten zu
betrachten. Dazu siehe Frank Hillebrandt: Die Theoriebezüge einer
Soziologie der Praxis. Poststrukturalistischer Materialismus, in:
Soziologische Praxistheorien. Eine Einführung, Wiesbaden: Springer
VS 2014, Seite 31-56; Markus Krajewski: Quasi-Objekte, in: Harun Maye
/ Leander Scholz (Hg.): Einführung in die Kulturwissenschaft,
München: Wilhelm Fink 2011, Seite 156-160; Reinhard Rürup (Hg.):
Historische Sozialwissenschaft. Beiträge zur Einführung in die
Forschungspraxis, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1977, 161
Seiten. –
Tatsächlich sind Ansätze zu einer Neusicht in der Ausstellung
vorhanden, so etwa, wenn Seite 31 bei der Besprechung des
Zeremonialschwertes des Frauenstifts Essen von der Performance
gesprochen wird, die mit diesem Schwert bei Weiheakten vollzogen
worden sei; gleichwohl fehlt jeder theoretische Hintergrund, der
diesen praktischen Einsatz bei der Adelserzeugung einordnen würde.
Ein Gegenbeispiel unter vielen ist die Beschreibung eines
Deckelpokals (Seite 129); dort wird lediglich erörtert, wie er
aussah, woher er kam und wem er gehörte.
- [55] = Dazu siehe abschließend Rudolf Braun: Konzeptionelle Bemerkungen zum
Obenbleiben. Adel im 19. Jahrhundert, in: Rudolf Braun: Von den
Heimarbeitern zur europäischen Machtelite. Ausgewählte Aufsätze,
Zürich: Chronos 2000, Seite 191-199; Silke Marburg / Josef
Matzerath: Vom Obenbleiben zum Zusammenbleiben. Der Wandel des Adels
in der Moderne, in: Walther Schmitz / Jens Stüben / Matthias Weber
(Hg.): Adel in Schlesien, Band 3 (Adel in Schlesien und Mitteleuropa.
Literatur und Kultur von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart),
München: Oldenbourg 2013, Seite 299-311; Nomen Nescio (Hg.): Heine‘s
Reisebilder, Band 3, Hamburg: Hoffmann & Campe 1828, S. 58-59.
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