Institut Deutsche Adelsforschung
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Adel an Rhein und Ruhr

Eine Ausstellung im Essener Ruhr-Museum in der "Kohlenwäsche"

In der etablierten Weimarer Republik durchfuhr die Reiseautorin Else Frobenius das Ruhrtal mit einer Kraftdroschke und berichtete davon im Jahre 1927 in einer österreichischen Zeitung, ausgehend ihrerzeit von einer Betrachtung der aristokratisierend erbauten Villa Hügel in Essen: „Eine von roten Geranien umkränzte Terrasse ist dem Hause vorgelagert. Von ihr aus zieht der Blick ins Ruhrtal, dessen sanft geschweifte Höhen in bläulich überhauchtem Frühlingsgrün leuchten, aus dem hie und da ein spät blühender Apfelbaum in rosigem Weiß aufstrahlt. Tiefe Taleinschnitte leiten hinüber in das benachbarte Bergische Land. Der gleiche Laubreichtum wie dort, die gleiche, eng an die Bergwände geschmiegten Häuser. In schneller Fahrt geht es durch das Ruhrtal, in Kastanienalleen voll roter Blütenkerzen. Am Flußufer liegt ein Fachwerkbau, das ‚Kruppsche Bootshaus‘, das gleichfalls der Allgemeinheit dient. Von hier aus zieht Essens Jugend zum Wassersport, dem auch besondere Schüler-Bootshäuser dienen. Auf den anschließenden Tennisplätzen haben die Mitglieder des ‚Etuf‘, des Essener Turn- und Fechtklubs, Gelegenheit, unter außerordentlich günstigen Bedingungen Tennis zu spielen. Das lange Oval einer Reitbahn bietet eine in ihrer Art vollkommene Möglichkeit zum Reiten. Der Kirchturm von Werden taucht auf – viereckig, altersgrau, mit grün leuchtendem Kupferdach. An der Landstraße Haus Oefte –  ein Schloß in englischem Stil mit stufenförmig aufsteigenden Giebeln, von Blutbuchen, schwarzen Tannen, blühendem Rotdorn und flammenden Azalien umrahmt, im Besitze des Freiherrn von der Schulenburg. An der Brücke in Werden muß noch ein Zoll entrichtet werden – drei Pfennige pro Kopf. Dann gleitet der Kraftwagen auf dem linken Ruhrufer dicht am Wasser entlang – zur Linken steil ansteigende, dicht belaubte Hänge, zur Rechten die Ruhr, deren kühne Windungen man in der Ferne erkennen kann. Wieder eine Brücke. Auf dem rechten Ruhrufer Kettwig, die berühmte Tuchstadt mit den Fabriken von Scheidt – großen roten Kästen am Wasser; es geht aufwärts zum Werdener Berg, auf sanft ansteigender, glatt wie Parkett gepflasterter Straße, wo die großen Autorennen stattfinden.“ [1]

In diesem kleinen Reisebericht ersieht man gut, zwischen welchen beiden Polen sich der Adel an der Ruhr bewegte, zwischen der Industrie einerseits, dem ländlichen Besitz, eingebettet in die Kulturlandschaft am Fluß, andererseits. Beides prägte den Adel der Region und der Adel prägte ebenso die Region. Zwischen Dezember 2021 und April 2022 wurde nun diesbezüglich in der Kohlenwäsche des Ruhr-Museums in Essen eine Sonderausstellung gezeigt, die den Titel „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr“ trägt und sich eben jenem Adel an der Ruhr widmet, auch Haus Oefte und den dortigen Schulenburgs. [2] Doch wird darin nicht allein „der Adel“ an der Ruhr behandelt, also in den Städten und Stadtumgebungen von Brilon, Meschede, Schwerte, Witten, Bochum, Menden, Arnsberg, sondern auch die Landstriche nördlich davon. Historisch waren dies in etwa die Territorien der Grafschaft Mark und Limburg-Styrum, des Herzogtums Westfalen, des Vestes Recklinghausen, des Reichsklosters Werden, des Reichsstifts Essen und der Reichsstadt Dortmund (Seite 40). Zu diesem Thema erschienen ist außerdem im Essener Klartextverlag der mit der Ausstellung gleichnamige opulente Katalog. [3]

Diese sachliterarische Publikation steht zudem in einer Reihe von anderen regional betonten Adelsausstellungen der Nachkriegszeit, die sich der Gruppenbildung „des Adels“ widmen; hier wird mithin eine bayerische, oberschwäbische, niederösterreichische, lausitzische und schlesische Tradition aufgenommen, jedoch in den einzelnen behandelten Epochen gleichwertiger dargestellt, als dies in anderen Katalogen der Fall ist. [4] Denn es sind rund 800 Exponate, die gezeigt werden, sie stammen aus 160 Institutionen, auch von privaten Leihgebenden und sind in dieser Zusammenstellung naturgemäß noch nie gezeigt worden. Überhaupt ist es musealen Ausstellungen allgemein eigen, daß sie, ähnlich wie bei schriftlichen Arbeiten, mit einer Auswahl arbeiten, die „künstlich“ erzeugt ist. Denn in der Regel werden Exponate in Museen aus ihren ursprünglichen Kontexten, ihren sozialen Verwebungen, ihren materiellen und immateriellen Netzwerken, herausgelöst, sind es, zumindest bei historischen Betreffen, indes allein schon der Zeit wegen, weil die einst mit diesen dinglichen Aktanten ehedem hantierenden Humanaktanten nicht mehr leben, sondern nur noch „die Dinge“ übrig geblieben sind.

Dies hat den Vorteil, daß man sich „ein Bild“ einer Thematik machen kann, daß aller Kontingenz, Unübersichtlichkeit, Multimodalität und Mannigfaltigkeit eines „Wimmelbildes“ zu entgehen sucht und eine gedankliche Ordnung in das „Chaos der Welt“, in die Welt-Erscheinungen und -Entitäten bringen kann. Es kann daher ein „roter Faden“ entstehen, den zu verfolgen einen bewältigbaren und daher befriedigenden Eindruck erzeugt und hinterläßt. Dies haben sich wohl auch die Ausstellungsmachenden der „Klasse für sich“ gedacht, die am Ende tatsächlich einen „roten Faden“ aus vereinzelten Exponaten schufen, der den „Adel“ symbolisiert und zeigt, woraus er – zumindest artefaktlich – bestand. So entstand gedanklich eine Kontinuität innerhalb eines Ideenkonzeptes von „Adel“, wo sie ehedem entweder nicht existierte oder aber zumindest, um es vorsichtiger zu formulieren, invisibel war.

Die Erzeugung eines „roten Faden“ wird indes auch durch eine große Verantwortung der Erzeugenden, der den Faden Webenden, begleitet; sie ist nicht aufgehoben, nur weil eine bewußte Ding-Zusammenstellung, ein neues Netzwerk, erschaffen worden ist. [5] Dieser „rote Faden“, den man auch anders hätte aufnehmen können, [6] beginnt in der Ausstellung und im Katalog mit einer Ursprungserzählung, einer Traditionserschaffung, einem Gründungsnarrativ. Demnach wird der Beginn einer langen Tradition bei einem Bügelfibelpaar gesetzt, welches aus dem 6. Jahrhundert nach Christus stammte. Diese Tradition wurde dann über eine Zeitachse chronologisch bis 2021 weitergeführt, dabei „den Adel“ zunächst als eine Gruppe von „Menschen mit erblichen Privilegien“ (Seite 22) in ihrer Sachkultur „verfolgend“. [7]

Eingeteilt sind Ausstellung und korrespondierender Katalog in sechs große zeitliche Abschnitte, zusätzlich aber auch noch in zwölf thematische Sonderabschnitte, die sich zeitunabhängig speziellen Themenbereichen widmen. In chronologischer Abfolge werden die Anfänge (etwa 500 bis 1000 nach Christus), die klassisch heute als Mittelalter (1000-1500) bezeichnete Epoche, die Frühe Neuzeit des „ancien régime“ (1500-1789), die Formierungsphase der Moderne (1789-1918) sowie die Nachweltkriegszeit (1919-2021) voneinander abgegrenzt.

Innerhalb dieser Sektionen werden jeweils eine Fülle von zugewiesenen Exponaten präsentiert, die einen guten Überblick geben über die Lebensweise und Ausdrucksformen „des Adels“, so daß ein Parforce-Ritt durch die gesamte Adelsgeschichte absolviert werden kann. Dabei werden auch kritische Zeiten und Umstände behandelt, so die Zeit des Nationalsozialismus, bei der einer der Kurator*innen „dem Adel“ die Verlängerung des zweiten Weltkrieges und die Ermöglichung der Shoa zuschreibt (Seite 176). Die Exponate reichen aber auch darüber hinaus bis ins 21. Jahrhundert, aus dem aristokratisierende Verwendungsweisen präsentiert werden: Zigarettenwerbung mit Rittermotiven, Schützenorden, Gesellschaftsspiele, Regenbogenpresse, Spielzeugritterburgen und „Groschenromane“ werden thematisiert (Seite 336-345).

Die thematischen Vertiefungen sind – abseits der Zeitabfolge – epochenübergreifend angelegt worden; sie weben den zeitlich ausgerollten „roten Faden“ dicker, betreffen adeliges Selbstbild, Herrensitze (Burgen, Schlösser), Gärten und Parks, Wohnkultur, Sammlungen (Kuriositätenkammern, Bibliotheken), Domestiken, standesspezifische Pädagogik, Konnubien, Festkultur, Jagd, Sepulkralkultur,  Erinnerungskultur und Vergangenheitsbewirtschaftung (Seite 208-217). [8] Diese Verquickung von Zeit- und Sachlichkeit in den Exponaten lädt daher immer wieder dazu ein, den ausstellungsleitenden und -dominierenden Zeitstrahl zu verlassen und ausgewählte wichtige Bereiche dessen, was man unter „Kultur“ oder „Lebensweise“ des historischen Adels fassen könnte, ausführlicher zu erkunden. Dabei gelingt es den Ausstellenden, wesentliche Kernmerkmale dessen, was die Forschung als charakteristische Aspekte „des Adels“ herausgearbeitet hat, zu treffen. [9]

Die Vorbereitungen dazu hatten drei Jahren in Anspruch genommen. In der Pressekonferenz vom 11. Dezember 2021, die von dem Museumsleiter, dem Honorarprofessor Heinrich Theodor Grütter (*1957), zur Ausstellungseröffnung abgehalten wurde, hieß es: „Das ist ein Forschungsbereich, diese adelige Welt, da gibt‘s keine Standardwerke drüber, das ist ein neu erforschte[r] Bereich, natürlich gibt‘s Einzelstudien, gibt‘s, zu allem gibt‘s irgendwie Vorstudien, aber das Zusammenzutragen unter diesem Thema Adel, braucht intensive Überlegungen und umfangreiche Forschungen“. [10] Zumindest der letzten Aussage kann zugestimmt werden, den ersten Aussagen indes nicht ganz zweifelsfrei. Ob es Standardwerke zum Adel gibt, ist nicht entschieden. Man wird sagen können, daß sie in der Tat nicht existieren, denn die konzise Zusammenfassung der Ergebnisse aus rund 14.000 Monographien und Aufsätzen mit Adelsbetreffen zwischen 1494 und 2021 erscheint derzeit schlicht – allein der Masse halber – unmöglich. [11]

Andererseits sind immer wieder Versuche gemacht worden, derlei Standardwerke zu produzieren. [12] Die bei Grütter formulierte Darstellung eines Desiderats des Forschungsstands folgt dann jedoch die Degradierung der bisherigen – oft sehr umfangreichen – Studien als „Vorstudien“. Diese Bewertung soll wohl der künstlichen Prestigeerzeugung zur Ausstellung dienen, und kann  nur dadurch erklärt werden, daß man teilweise den Forschungsstand ignoriert hat. [13] Tatsächlich anders sieht es mit der Grütterschen Behauptung aus, der Ruhradel sei bislang selten erforscht worden; sieht man von Publikationen zu einzelnen Adelsfamilien ab und betrachtet nur „den Adel“ en corpore, ist diese Aussage durchaus nachvollziehbar, [14] während zu den einzelnen Familien durchaus viele Forschungspositionen vorhanden sind. [15 ]Doch dann wieder erscheint die Grüttersche Behauptung, heute sei verarmter Adel „die absolute Ausnahme“, [16] als eher eine interpretative Verzerrung und ein Fehlschluß, der möglicherweise daraus entstand, daß verarmte Angehörige der Erinnerungsgemeinschaft des historischen Adels der Ausstellung keine Exponate zur Verfügung stellen konnten und daraus, daß der Forschungsstand nicht hinreichend beachtet worden ist. [17] Bemerkenswert ist auch, daß Grütter weiter von der Existenz „des Adels“ ausgeht, weder differenziert, noch auf die Erinnerungsgemeinschaft verweist. [18]

Er beteiligt sich daher ebenfalls an der performativen – hier sprechaktlichen – Aufführung und Re/Präsentation der Selbstsicht „des Adels“. Viele Sprechakte der Ausstellung können daher als „Wiedergeburt“ „schlafender“ sozial vorgestellter „Skripte“ verstanden werden, als Re/Aktualisierung, auch wenn gesagt werden muß, daß dieses Konzept nicht stringent verfolgt wird, sondern immer wieder einmal unter- und gebrochen wird. Diese Brechung läßt die Besuchenden im Fluß des „roten Fadens“ daher des Öfteren aufhorchen, aufmerksam werden. So überraschen die drei Kuratorinnen bereits mit dem Titel und stellten ihre Ausstellung unter ein klassenkämpferisches Motto: „Eine Klasse für sich“ ist eine Aussage von Karl Marx, der in Bezug auf die Arbeiterbewegung gefordert hatte, daß sich unverbunden nebeneinander stehende Arbeiter politisch und gewerkschaftlich verbinden müßten, um eine gesellschaftliche Rolle spielen zu können und sich wirkungsvoll eine ökonomische und soziale Interessenvertretung zu erschaffen.

Gross (2020) notierte dazu: „Klasse für sich, in der marxistischen Revolutions- und Klassentheorie charakterisiert der Begriff eine bestimmte Qualität des Klassenbewusstseins. Um die kapitalistischen Verhältnisse umzustürzen, genügt es nicht, dass das Proletariat ‚an sich‘ eine revolutionäre Klasse ist, die sich von anderen Klassen objektiv durch den Nichtbesitz an Produktionsmitteln unterscheidet. Das Proletariat muss sich vielmehr seines Klasseninteresses bewusst werden, es muss sich aus einer Klasse an sich in eine K.f.s. verwandeln [...].“ [19] Den Titel des Schlagwortes indes für eine Adelsausstellung zu benützen, ist irritierend und gewagt. Vielleicht war die Irritation auch beabsichtigt, reflektiert wird die Titelwahl im Katalog jedoch nicht. Zu bemerken ist dazu, daß es erstens keinen Zusammenhang mit der Arbeiterbewegung gab, zweitens war Adel bis 1918 auch keine rein durch den Nichtbesitz von Produktionsmitteln gekennzeichnete wirtschaftlich orientierte Gemeinschaft. Von der Forschung eruiert werden konnte zwar, daß es verarmte Adelige gab, die solch einer Definition entsprachen, doch diese waren, wegen ihrer Vereinzelung und Nichtorganisation (also höchstens als „Klasse an sich“), durchaus nicht als „Klasse für sich“ organisiert. [20] Vielleicht wollten die Ausstellungsmachenden aber auch darauf hinweisen, daß sich „der Adel“ gern als eine abgesonderte Gemeinschaft sah und zu behaupten suchte? [21]

Jedenfalls bleiben die Motive zur Namensgebung der Ausstellung im Unklaren, möglicherweise war aber auch eine Hidden Agenda der Ausstellungspädagogik. Doch immerhin regen die Kurator*innen durch diese „Verrückung“ zur Auseinandersetzung und zum Widerspruch an: „Adel“ und „Klasse“ passen traditionell nicht zueinander, bauen dadurch aber ein Spannungsfeld der Begrifflichkeiten auf. Andererseits ist die Konstruktion dessen, was die Ausstellungsmachenden unter einem klassistischen „Adel“ verstehen, [22] durchaus folgerichtig, denn präsentiert wurden als Exponate nur Artefakte aus reichen Haushalten; zumindest insofern ist die Ausstellungskonzeption in sich kongruent gestaltet, da nur Artefakte mit ausgesprochenem Ehrinstikinkt statt allein mit Werkinstinkt in das zu Zeigende „eingebaut“ worden sind. [23]

Gleichwohl wird nicht allein die wirtschaftliche Seite des historischen Adels berücksichtigt, wie man dem Titel gemäß vielleicht glauben könnte, sondern vielmehr die regionale, personelle, genealogische und lebensweltliche Seite. Adel kann, so besehen, wieder gegen den Ausstellungstitel gelesen, weniger als „Klasse“, sondern eher als „Stand“, „Gruppenbildung“ (nicht jedoch „Gruppe“) [24] oder Milieu bezeichnet werden, obschon jeder dieser Begriffe auch nicht für alle Zeiten passend erscheint und teils – wie beim „Stand“ – imaginäre Kontinuitäten suggeriert. [25] Solche Kontinuitäten konstruiert indes auch die Ausstellung, so daß der stereotypische (deswegen aber durchaus nicht zu kritisierende) Eindruck entsteht, es habe sich bei „dem Adel“ um eine „geschlossene“ und „vererbliche Schicht“ gehandelt. Erzeugt wird dadurch ein strukturalistisches Primat, das sich durch die Vernachlässigung von sozialer Konstruktion und praktischer Handlung auszeichnet. [26]

Andererseits werden aber dann doch auch in der neueren Adelsforschung rezipierte Aristokratismen wie Zechenadel, Schlotbaron (Seite 152), Stahlbaron, Grubenbaron, der „Adel der Arbeit“ (Seite 182), Adelsadoptionen und ähnliche Annäherungen thematisiert, [27] die sich als keinesfalls als strukturalistisch kennzeichnen lassen. Auch werden sehr dienliche Hinweise auf die Netzwerkforschung gegeben, so mit der Präsentation eines sonst als Quelle eher selten anzutreffenden Bautagebuchs des Schlosses Horst aus dem 16. Jahrhundert, über das deutlich wird, welche Aktanten am Schloßbau teilnahmen, woher diese kamen (z.B. Schiefer aus Mayen bei Koblenz) und wie das Schloß – durch den teils dauerhaften, teils nur temporären – Verbund von Aktanten überhaupt erst entstand (Seite 92). [28]

Bei der Fülle der Themen bleibt es indes nicht aus, daß Vereinfachungen und Pauschalisierungen stattfinden. Diese sind zwar unverzichtbar, doch auch bisweilen sehr abwertend formuliert worden. So wird behauptet, daß Dienstmädchen – abseits von gestellten Atelierfotografien, die sie in der Ausstellung in typischer Berufshandlungen mit materiellen Artefakten der Küche zeigen – „häufig“ von ihren „Herrschaften“ „moralisch verwerflich“ ausgenutzt wurden (Seite 277); [29] tatsächlich hat es derlei Fälle gegeben. [30] Auch die Deferenz in ihrem geradezu adelsmiterzeugender Charakter wird nicht wahrgenommen. [31] Daß vornehme Kleidungsstücke wie Livreen, von denen die Wappenknöpfe mit Adelswappen entfernt wurden, wenn die Domestik*innen sie als abgetragenes Geschenk erhielten, zu sozialen Rollenwechseln benutzt worden sind, wird von den Autor*innen bedauert. Einer in der Ausstellung so zugerichteten gezeigten Livree sei es indes, so wörtlich die Autor*innen, „erspart“ geblieben, den Weg über Trödelläden zu nehmen. Einem dort im Anschluß genannten historischen Zitat seien derlei Livreen dann zu „Leute[n] aus der niedrigsten Klasse“ gelangt, um dort dann „zu schädlichen Absichten“ benützt worden zu sein (Seite 272). Findet also hier einmal, in möglicher Andeutung auf die weit verbreitete Kulturtechnik der Hochstapelei, [32] ein Empowerment von Minderprivilegierten statt, wird dies von den Kurator*innen der Ausstellung durchaus verurteilt. [33]
                         
Wenn indes lobenswerterweise von Netzwerken die Rede ist, so meinen die Kurator*innen damit anscheinend nur Verbindungen zwischen Humanaktanten und nicht etwa Verbindungen zwischen Human- und anderen Aktanten, obzwar genau diese Aktanten – vor allem Dinge – in der Ausstellung die prominenteste Rolle spielen; denn die Geschichte des rheinisch-ruhrischen Adels wurde vor allem über die zugehörigen Artefakte erzählt, die aus ihren ehemaligen humanen Netzwerken herausgelöst, jedoch in ein neues Netzwerk der Re/Präsentation eingesetzt worden sind.

Architektonisch indes wird diese neue Re/Präsentation in einem fensterlosen Bunker in einer Art Schlauchraum (mit der Bezeichnung „Kohlenwäsche“) mit Nebengelassen aufgezeigt, der durch einen von dem Wiener Architekten Bernhard Denkinger gestalteten „Glaspalast“ kontrastiert wird (gläserne Vitrinen, die in Fluchten aufgestellt wurden).
Begleitet wird die Ausstellung multimedial, so sind neben Führungen und Erlebnisworkshops, an denen die Besuchenden teilnehmen können, in der Ausstellung selbst an Hörstationen Hörbeispiele von Musiken an Adelshöfen zu hören (Seite 312) oder Interviewausschnitte in Videos zu sehen. Ergänzt werden Katalog wie Ausstellung fernerhin durch eine Applikation für Smartphones.

Darin wurden in 26 Stationen und an ausgewählten Exponaten bestimmte Hochlichter der Ausstellung hervorgehoben und exemplarisch durch kurze Audiodateien vorgestellt, zugleich aber auch textlich sichtbar gemacht. Schallwellensymbolen an den Vitrinen weisen dabei jeweils auf eine Audiodatei hin, die dann, passend zu dem sichtbaren Exponat, abgerufen werden kann; enthalten sind auch Hinweise auf die Richtung des weiteren Rundgangs. Zu den besonderen Ausstellungsstücken, die auf diese Weise erklärt und hervorgehoben wurden, zählte das Lembecker Schwert (10. Jahrhundert), das Soester Vemebuch, Blüchers Uniformrock aus der Zeit um 1800, eine Statuette von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach als Ritter (1912) oder ein Wandteppich mit Don Quichote-Motiven (Seite 247-248).
 
Ein letzter Abschnitt in Katalog ist sodann der „Faszination“ des Adels im 21. Jahrhundert gewidmet (Seite 336-345); hierzu zählen die drei Austellungsmachenden die drei Bereiche Kinderspiel („Ritter und Prinzessin“), die Aristokratismen aufgreifende Marketing- und Reklamewelt sowie zuletzt die Regenbogenpresse mit Berichten über den europäischen Hochadel. Mit dem Thema „Faszination Adel“ ist indes ein ganz grundlegendes Konzept angesprochen, da die gedankliche Vorstellung oder die Idee (das „Klischee“) immer eine Rolle spielt bei der Konstruktion sozialer Tatsachen, die im Moment ihrer Anrufung erschaffen werden. [34]

Schließlich handelt es sich bei sozialen Zuschreibungen und Humandifferenzierungen stets um einen Akt der sozialen Aushandlung und nicht eine feststehende Entität. Insofern ist es sehr lobenswert, daß diesem Bereich nun in einer Adelsausstellung, was bislang eher selten vorkam, Aufmerksamkeit geschenkt wird. Allerdings erschöpft sich der Anriß des Themas dann jedoch erstens in der positiven Betrachtung („Faszination“) [35] und zweitens weitgehend in der Zusammenschau von Artefakten, deren Zusammenhang nicht erläutert wird. Ein Textvorspann äußert zwar die These, Adel sei für Personen, die nicht der Erinnerungsgemeinschaft des historischen Adels angehörten, faszinierend, weil „er“ Sehnsüchte nach höheren „Tugend- und Ordnungsfantasien“ bediene, man aber zugleich in (Ritter-) Spielen und im Karneval [36] selbst einmal „das Besondere, Auratische und Elitäre“ erleben könne (Seite 337). Daß aber die „Faszination“ oder Ehrfurcht, die sich handlungspraktisch in Form der Ehrerbietung äußert, [37] ein wesentlicher Bestandteil auch der historischen Adelskonstruktion und -konstitution sein könnte, wird nicht angedacht. Vielmehr wird so getan, als wenn diese Faszination außerhalb des Adels stünde, der Adel mithin als eine „Insel in der Welt“ dargestellt wird; damit bleibt dies an sich intelligent angedachte Kapitel über das Soziotyp im kulturellen Gedächtnis der Jetztzeit letztlich merkwürdig unverbunden, anstatt den naheliegenden Schritt der Zusammengehörigkeit nachzuvollziehen. Verpaßt wurde damit bedauerlicherweise auch die Möglichkeit, sich an die neuesten Forschungsergebnisse um „aristokratische Stereotype“ und das Konzept „un/doing nobility“ anzuschließen. [38]

Auch bedient, vermutlich nicht unkalkuliert, die Ausstellung selbst den Topos der „Faszination“, den sie als Publikumsmagnet ausnutzen möchte, um Ausstellungsbesuchende anzuziehen; an einer de/konstruktivistischen Perspektive haben die Kurator*innen bedauerlicherweise kaum Interesse gezeigt. Das Wort „kaum“ wurde hier verwendet, da es zumindest doch einen konstruktivistischen Moment gibt. So wird in der Ausstellung eine „Urkunde“ präsentiert und im Katalog beschrieben (Seite 343-344), auf der eine Person, die nicht der Erinnerungsgemeinschaft des historischen Adels angehörte, durch eine „Adelsfabrik“ [39] und mittels eines gesiegelten papierenen Schriftaktes zum „Grafen von E.“ ernannt wurde. Im Begleittext dazu heißt es, daß Adelstitel auf Onlineplattformen käuflich erworben werden könnten. Dies ist falsch, da im Text selbst bemerkt wird, Adelstitel seien seit 1919 und daher auch im 21. Jahrhundert nur noch bloße Namensbestandteile (Seite 176).

Man kann auf diesen Plattformen keinen Adelstitel kaufen, nicht einmal einen Namen, sondern nur ein Stück Papier (namens „Urkunde“) erwerben, auf dem ein nichthistorischer „Adelstitel“ in räumlicher Nähe zum Namen der dieses Papier bestellenden Person gedruckt steht. Zweck sei, solch einen „Adelstitel“, den es laut Aussage eigentlich – als Titel – nicht mehr gäbe, als Künstlernamen zu verwenden. Dies mag zwar stimmen und ist auch durchaus möglich und wird praktiziert, [40] aber dafür bedarf es keiner Autorität, die dies durch einen Schriftakt in Form eines bedruckten Papiers absegnet. Mit dem Satz „Zertifikate wie das hier beweisen den rechtmäßigen Erwerb des Titels“ ist daher mehrfach widersinnig, nicht nur, weil Adelstitel nicht mehr existieren, sondern auch weil die Echtheit eines imaginierten Titels, der historisch so nicht nachweisbar ist, [41] keiner „Echtheit“ bedarf. Künstlernamen lassen sich, ganz simpel, auf eigenen Beschluß der künstlerisch Tätigen in den Personalausweis eintragen, vorausgesetzt, daß man unter diesem Namen schon längere Zeit Kunstwerke erschaffen hat. Einer (kostenpflichtigen) Beglaubigung oder Verleihung bedarf es nicht nur nicht, sie kann allein auch deswegen nicht erfolgen, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage im Namensrecht gibt. [42]

Gänzlich konstruktivistisch ist dann die folgende Argumentation, nach der das in Rede stehende Papier eine „Bestätigung der Seriosität in juristischer Form“ darstelle. Allerdings gilt das Papier weder als eine juristische Bestätigung (es ist lediglich ein privat ausgedrucktes Papier) noch würde das klassische Adelsrecht dieses Papier und die damit angeblich verknüpfte „legitime“ Adelsführung als „seriös“ bezeichnen. [43] Ein Verweis auf die traditionelle „Vereinigung der deutschen Adelsverbände“ (VdDA) fehlt dagegen an diesem Ort der Sprechhandlung. [44] Am Ende, so suggeriert die Exponatbeschreibung, könne eben doch Jeder und Jede, der oder die das möchte, „dem Adel“ angehören und das auch noch „juristisch“ „korrekt“ – durch einen „Kauf“. [45] Somit wird insgesamt zwar der Idee einer Konstruktion von Adel durch Schriftakt und stets mehrere Aktanten Raum gegeben, aber in letzter Konsequenz werden dann die für die Erzeugung der sozialen Zuschreibung „Adel“ nötigen performativen Mechanismen als Grundlegung nicht (an)erkannt, was besonders bedauerlich auch deswegen ist, weil entsprechende Forschungen zum „un/doing nobility“ schon seit Jahren vorliegen. [46]

Fernerhin fallen bei weiteren Beschreibungen von Exponaten eigenwillige Formulierungen auf, [47] so ist beispielsweise eine Blasonierung (der Fürsten zu Salm-Reifferschedt-Dyck ab 1816) falsch ausgeführt worden (Seite 213). Statt „Der Hintergrund wird durch einen aufgespannten Hermelinmantel gebildet, der oben in einer Fürstenkrone ausläuft – beides Insignien für den höchsten Adelsrang. Davor stehen zwei Ritter in Turnierrüstung. Sie halten das viergeteilte Schild der Fürsten von Salm-Reifferscheidt-Dyck, [48] auf dem ein weiteres vierteiliges Wappen mit Salmen und einem Greifen erscheint. Als Bekrönung des Schildes dienen fünf Turnierhelme mit verschiedenen Kronen und phantasievoller Helmzier. Lateinische Devisen (‚Für Gott und Vaterland‘ oder [49] „Gegen den Strom‘) verweisen auf den Auftraggeber [50] Joseph Franz Maria Anton Hubert Ignatz Fürst und Altgraf zu Salm-Reifferschiedt-Dyck [...]“ müßte es heraldisch deutlich formuliert heißen:
 
„Der Schild ist geviert mit aufgelegtem Mittelschild. Letzteres ist in 3 Plätze zwei Mal gespalten. Vorn in Silber zwei plahlweis gestellt mit Kopf und Schwänzen auswärts gekrümmte rothe Salme (wegen der Erbschaft von Nieder-Salm), der mittlere Platz quergetheilt oben in Silber ein golden bewehrter rother Greif, haltend an den Lüffeln (nicht an den Hinterläufen) einen hangenden Hasen natürlicher Farbe […], unten in Roth 2 silberne Salme, pfahlweis mit Köpfen und Schweifen auswärtsgekrümmt, begleitet von 4 silbernen Kreuzchen […], hinten das Stammwappen Reifferscheidt: in Silber ein von fünfflätzigen blauen Turnierkragen überhöhtes rothes Schildchen. Im I. Felde des Hauptschildes ist dies Wappen des Herrschaft Dyck in Silber (3 (2. 1.) aufrechte rothe Wecken), im II. das der Herrschaft Bedbur (im mit silbernen senkrecht abgeschnittenen Querschindeln besäeten rothen Felde ein silberner Löwe), im III. Felde das der Herrschaft Alfter (in Gold 4 rothe Balken, überdeckt von einem einwärtsgekehrten, doppelschweifigen silbernen Löwen, im IV. Felde das der Herrschaft Hackenbroich (in Gold ein – rechtsgekehrter – silberner richtiger schwarzer Löwe.

Auf dem Schilde ruhen 5 Helme, von denen der äusserste links mit rothgoldenen, die übrigen mit rothsilbernen Decken versehen, der äusserste rechts und links mit Edelkrone, der II. und III. mit purpurnen Fürstenhüten, der IV. mit gräflicher Krone gekrönt ist. Der erste Helm rechts trägt eine wachsende, das Kniegelenk links kehrende Keule nat.[ürlocher] Farbe (wegen Alfter), der zweite zwei gestürzte mit Kopf und Schweif auswärtsgekrümmte Salme (wegen Niedersalm), der mittlere den Greif mit dem Hasen, der vierte ein rothes und ein silbernes Eselsohr (Stammkleinod Reifferscheid), der fünfte endlich einen silbernen Löwen in ganzer Figur (wegen Hackenbroich).
 
Den Schild halten geharnischte Ritter mit geschlossenem Visir, rothen Helmbüschen an goldenen Schwertriemen über die rechte Schulter hängenden Schwertern, goldenen Sporen und Panzerhandschuhen, an deren äusseres Bein je ein herzförmiger Stahlschild gelehnt ist. Jeder von ihnen hält an goldener Lanze ein Banner, von denen das rechte goldene ein silbernes Schildchen mit den beiden rothen Salmen von Niedersalm, darüber die Devise „Contra torrentem“, das linke silberne das Reifferscheidt‘sche Schildchen nebst Turnierkragen, darüber die Devise „Quem obumbro defendo“ trägt. Beide Devisen sind in schwarzen lateinischen Lapidarbuchstaben geschrieben, die Schildhalter stehen auf silbernem Bande mit der Devise Pro Deo et patria in eben solcher Schrift. Das Ganze umfliegt ein aus Fürstenhut, mit purpurner Mütze herabfallender, goldbefranzter und gebundener, hermelingefütterter purpurner Fürstenmantel.“ [51]

Tritt man indes nun, am Ende, von den Details zurück und fährt noch einmal – von außen kommend – in Ausstellung und Katalog, wie einst Else Frobenius ins Ruhrtal, so wird man ein ambivalentes Fazit ziehen können. Einerseits überzeugt die übergroße Fülle der Exponate in ihrer Zusammenstellung und Reihung vom „roten Faden“ der regionalen Adelsgeschichte, die mit der „großen“ Geschichte stets verflochten war, überzeugt die geschwärzte ebenso wie archaisch anmutende Spannung mit den oft filigranen, erleuchteten Exponaten in den „Glaspalästen“ der Vitrinen, beeindrucken ästhetisch die Sichtachsen, die die Blickwinkeleröffnung und -verschließung im Sinne englischer Landschaftsparks des Adels und den baulichen Symmetrie-Gedanken der Herrenhäuser und Schlösser aufnimmt, [52] beeindruckt die Fensterlosigkeit der „Kohlenwäsche“, die durch das Fehlen von Tageslicht eine absolute Konzentration auf die Exponate und ein fast immersiven Museumserleben ermöglicht. Auch ist positiv hervorzuheben, daß Grenzaspekte der Adelsgeschichte im Großen (so die Stellung des Adels zur Weimarer Republik) und im Kleinen (individuelle Devianz, zum Beispiel auf Seite 169-170) erörtert werden.

Auch wer, über den regionalen Bezug hinaus, sich allgemein über die Geschichte des Adels informieren möchte, findet in der Essener Schau eine gute Zusammenfassung von 1.000 Jahren Historie dieser humandifferenzierend-stratifikatorischen Sozialetikettierung. Dies bedeutet, daß auch eine grundlegende Bildung über den Adel abseits der Rhein-Ruhr-Fokussierung möglich ist – und mitgeleistet wird.

Andererseits bleibt die Ausstellung merkwürdig wissenschaftlich konventionellen Adelsverständnissen des „being nobility“ verpflichtet, wenn auch einige interessante Auswirkungen konstruktiver Adelserzeugungen aufleuchten, ohne daß diese kontextualisiert worden wären. So bleibt die Ausstellung und das Fazit zwar eine oft sinnreiche kunsthistorische Einordnung der Exponate, die hinter diesem Artefakten sich anbietende Theorie eines „poststrukturalistischen Materialismus“ wird nicht nachvollzogen, nicht angedacht. [53]

Gerade aber eine aktuelle Ausstellung, im Beginn des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts, hätte den Anschluß an neueste Forschungsergebnisse aufnehmen können, um eine neue Sicht auf den Adel (abseits der üblichen Pfadabhängigkeit der Darstellung) zu ermöglichen. Zumindest Seitenblicke und alternative Entwürfe hätten gelohnt, sind aber leider verpaßt worden. [54] Bei solch einer reich bestücken Ausstellung, die manche wertvolle Zusammenhänge zur Adelshistorie komplexreduziert in einem doch weitgehend gelungenen „roten Faden“ aufbereitet hat, ist das bedauerlich.

Man wird die Ausstellung zum Besuch indes abschließend ebenso wie die Anschaffung des Katalogs dennoch empfehlen können, erstens als Anschauungsbeispiel, wie heutzutage „Adel“ re/präsentiert wird, zweitens aber auch als Einführung in die Adelsthematik, die in groben Zügen publikumsaffin gestaltet worden ist und die es den Besuchenden ermöglicht, innerhalb eines einzigen Rundgangs die wesentlichsten Bereiche kennen zu lernen, in denen „der Adel“ im jeweiligen gesellschaftlichen Leben durch „Obenbleiben“ und „Zusammenbleiben“ und nicht zuletzt auch „den Glauben an ihn“, wie Heinrich Heine es einmal formuliert hatte, eine Rolle spielte. [55]

Dieser Aufsatz stammt von Dr. phil. Claus Heinrich Bill, M.A., M.A., M.A., B.A., und erscheint zugleich in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung in gedruckter Form.

Annotationen: 
  • [1] = Else Frobenius: Im Ruhrtal, in: Sonntagsblätter. Schriftleitungsbeilage der Freien Stimmen (Klagenfurt), Ausgabe Nr. 22 vom 12. Juni 1927, Seite 2-3.
  • [2] = Dazu siehe weiterführend Dietrich Werner Graf von der Schulenburg / Hans Wätjen: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg 1237 bis 1983, Wolfsburg: Hempel 1984, Seite 401-405 (Zweig Wolfsburg, 3. Haus Oefte).
  • [3] = Heinrich Theodor Grütter / Axel Heimsoth / Magdalena Drexl / Reinhild Stephan-Maaser: Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr, Essen 2021, 380 Seiten, Format: 210 x 255 x 30 mm. Erschienen am 15. XII. 2021 im Klartextverlag in Essen, erhältlich zum Preis von 29,95 Euro, gebunden mit Festeinband, mit zahlreichen farbigen Illustrationen versehen, ISBN: 978-3-8375-2481-9.
  • [4] = Dazu siehe a) Herbert Knittler / Gottfried Stangler / Renate Zedinger (Hg.): Adel im Wandel. Politik, Kultur, Konfession 1500-1700, Wien 1990, 612 Seiten (Band 251 der Neuen Folge der Reihe „Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums“ zur gleichnamigen niederösterreichische Landesausstellung auf der Rosenburg vom 12. Mai bis 28. Oktober 1990 mit vielen kleinen Aufsätzen und Exponatbeschreibungen sowie Abbildungen), b) Wolfgang Jahn / Margot Hamm / Evamaria Brockhoff (Hg.): Adel in Bayern. Ritter, Grafen, Industriebarone. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung vom 26. April bis 5. Oktober 2008 in Schloss Hohenaschau und im Ausstellungszentrum des Lokschuppens Rosenheim, Stuttgart: Konrad Theiss 2008, 343 Seiten (Band 55 der Reihe „Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur“), c) Simone Neuhäuser: Herrschaftszeiten! Adel in der Niederlausitz (Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung 2014), Cottbus 2014, 176 Seiten, d) Jan Harasimowicz / Jasper von Richthofen / Andrzej Niedzielenko (Hg.): Szlachta na Slasku. Sredniowiecze i czasy nowozytne, Dresden: Sandstein 2014, 264 Seiten (Katalog zur Ausstellung im Museum zu Legnicy oder Liegnitz vom 24. Mai 2014 bis 11. September 2014 zum Thema „Ritter der Freiheit, Hüter des Rechts. Adel in Schlesien im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit“), e) Markus Bauer (Hg.): Adel in Schlesien und in der Oberlausitz. Mittelalter, Neuzeit, Gegenwart, Dresden: Sandstein 2014, 340 Seiten (Katalog zu mehreren Ausstellungen, unter anderem zur Ausstellung „Beharren im Wandel. Der Adel Schlesiens und der Oberlausitz seit dem 18. Jahrhundert“ in Görlitz vom 24. Mai 2014 bis 9. November 2014“), f) Casimir Bumiller (Hg.): Adel im Wandel. 200 Jahre Mediatisierung in Oberschwaben, Ostfildern: Thorbecke, 2006, 400 Seiten (Katalog zur Ausstellung in Sigmaringen vom 13. Mai bis 29. Oktober 2006).
  • [5] = Zu diesem fragilen und daher temporären Netzwerk gehören neben den Sobjekten (ein Hybridisierung aus Objekten und Subjekten), die die „Stars“ der Ausstellung darstellen, auch die Ausstellungsmachenden, Kurator*innen, Helfenden (die dann in der Ausstellung selbst unsichtbar werden), die Leihgebenden, die sich ständig in ihrer Masse austauschenden Besuchenden, die multiplikatorisch und diskurserweiternd wirkende Presse mit ihren Rezensionen, die Lesenden dieser Besprechungen (die teils wiederum Besuchende werden), die Versicherungen, Glaskastenproduzenten, die „Kohlenwäsche“, die Verkehrsmittel, mit denen die Sobjekte in die Ausstellung verbracht worden sind und nach deren Ende auch wieder zurück zu ihren Eigentümern (oder Besitzenden) verbracht werden, und so weiter.
  • [6] = Es handelt sich dabei um ein spezielles Meisternarrativ, das die Kurator*innen auf ihre eigene Weise erzählen. Daher verfügten nicht nur, wie es im Katalog heißt (Seite 214), Adelsfamilien über die Strategie einer „Rückführung auf einen mythischen Urahnen“, mit dem sie “versuchten“, „ihre Bedeutung hervorzuheben“, sondern auch die Ausstellungsproduzierenden. Sie verleihen dem Adel durch ihre Gestaltung schriftaktlich vor allem eine Kontinuität seit dem 6. Jahrhundert mit Artefakten von unbekannten privilegierten Personen mit vermuteter stratifikatorisch hoher Stellung. Damit wird kurzerhand die Geschichte des Adels an der Ruhr um 200 Jahre verlängert, da das erste präsentierte Ruhradelsartefakt erst das karolingische Evangeliar des Frauenstifts Essen aus der Zeit um 800 war (Seite 30). Zur Bewußtwerdung, Konstruktion und Reflexion verschiedener Erzählweisen für Traditionsanfänge siehe Friedrich Balke: Gründungserzählungen, in: Harun Meye / Leander Scholz (Hg.): Einführung in die Kulturwissenschaft, München: Wilhelm Fink 2011, Seite 23-48.
  • [7] = Ein reflektierter Versuch zur Definition dessen, was Adel ist, fehlt indes leider im Katalog und wird auch teils in sich konterkariert (Seite 22-23: Adel sei erblich, Seite 343-344: Adel sei käuflich); so verbleibt der Begriff in einem recht schwammigen Bereich des Nebulösen. Dies hatte erhebliche Konsequenzen, denn die Definition „des Adels“ bestimmte schließlich die Auswahl des Materials und die Knüpfung des „roten Fadens“. Grundlegend zur Problematik siehe Lothar W. Pawliczak: Kein Begreifen von „Adel“ ohne klar definierten Adelsbegriff!, in: Erhard Crome / Udo Tietz (Hg.): Dialektik, Arbeit, Gesellschaft. Festschrift für Peter Ruben, Potsdam: Welttrends 2013, Seite 115-129. Zur Vielfalt der Begriffe siehe indes das Lemma „Adel“, jeweils bei Robert Blum (Hg.): Volksthümliches Handbuch der Staatswissenschaften und Politik, Band I., Leipzig: Blum 1848, Seite 32-37; Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Band I, Stuttgart: Klett-Cotta 1972, Seite 1-48; Stefan Gosepath / Wilfried Hinsch / Beate Rössler (Hg.): Handbuch der Politischen Philosophie und Sozialphilosophie, Band I., Berlin: De Gruyter 2008, Seite 9-11, Günter Barudio: Politik als Kultur, Stuttgart / Weimar: J. B. Metzler 1994, Seite 21-25; Friedrich Wecken: Familiengeschichtsforschung in Stichworten, Leipzig: Degener 1936, Seite 9-10; Werner Schingitz / Joachim Schondorff: Philosophisches Wörterbuch, 10. Auflage Stuttgart: Kröner 1943, Seite 6; Caspar von Schrenck-Notzing (Hg.): Lexikon des Konservatismus, Graz / Stuttgart: Ares 1996, Seite 19-22; Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, 2. Auflage Berlin: De Gruyter 2007, Seite 10-11; Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des Adels, München: C. H. Beck 2005, Seite 15-18; Friedrich Jaeger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit, Band I., Stuttgart: Metzler 2005, Spalte 39-54; Gerd Reinhold (Hg.): Soziologie-Lexikon, München: Oldenbourg 4. Auflage 2000, Seite 6; Hanno Drechsler / Wolfgang Hilligen / Franz Neumann (Hg.): Gesellschaft und Staat. Lexikon der Politik, München: Vahlen 8. Auflage 1992, Seite 6-7; Heinz Thoma (Hg.): Handbuch Europäische Aufklärung, Stuttgart: J. B. Metzler 2015, Seite 3-10; Helmut Reinalter (Hg.): Lexikon zu Demokratie und Liberalismus 1750-1848/49, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 1993, Seite 11-18; Helmut Reinalter (Hg.): Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien: Böhlau 2005, Seite 104-106; Hermann Rentzsch (Hg.): Handwörterbuch der Volkswirthschaftslehre, Leipzig: Mayer 1866, Seite 17-21; Horst Bartel / Dieter Fricke (Hg.): Wörterbuch der Geschichte, Band I., (Ost-) Berlin: Dietz 1983, Seite 20-21; Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart: Kröner 5. Auflage 2007, Seite 6; Marianne Bernhard: Das Biedermeier. Kultur zwischen Wiener Kongreß und Märzrevolution, Düsseldorf: Econ 1983, Seite 11-12; Max Weiß (Hg.): Politisches Handwörterbuch, Berlin: Deutschnationale Schriftenvertriebsstelle 1928, Seite 8-10; Paul Herre (Hg.): Politisches Handwörterbuch, Band I., Leipzig: Koehler 1923, Seite 8; Richard van Dülmen (Hg.): Fischer Lexikon Geschichte, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 1990, Seite 105-120; Theodor Hartleben (Hg.): Geschäfts-Lexikon, Band I., Leipzig: Brockhaus 1824, Seite 8-16; Theodor Heuß: Politik. Ein Nachschlagebuch für Theorie und Praxis, Halberstadt 2. Auflage 1928, Seite 3-5. Hinzu kommen die Analysen bei Claus Heinrich Bill: Lexikalische Definitionen des Adelsbegriffs im 18. und 19. Jahrhundert, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 3. Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2017, Seite 50-51 (betrifft Zedler, Krünitz und Pierer aus den Jahren 1732, 1816 und 1857); Claus Heinrich Bill: Lexikalische Definitionen des Adelsbegriffs im 20. Jahrhundert, in: Ibidem, jedoch Nr. 4, Sonderburg 2018., Seite 34-35 (betrifft Bayer 1974, Bosl 1974, Bartel 1983 und Endres 1993); Claus Heinrich Bill: Lexikalische Definitionen des Adelsbegriffs im 21. Jahrhundert, in: Ibidem, Seite 36-37 (betrifft Conze 2005, Wienfort 2006, Hillmann 2007 und Demel 2014).
  • [8] = Dazu siehe Christoph Kühberger / Andreas Pudlat (Hg.): Vergangenheitsbewirtschaftung. Public History zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, Innsbruck / Wien / Bozen: Studienverlag 2012, 218 Seiten. Adelige waren damit nicht nur „Meister der Sichtbarkeit“, eine Kulturpraktik, die in der Ausstellung auch von den nicht der Erinnerungsgemeinschaft des historischen Ruhradels angehörenden Kuratorinnen re/produziert wurde, sondern auch Meister der „public history“. Zur Visibilität siehe Heinz Reif: Adel und Bürgertum in Deutschland I., Berlin: Akademieverlag 2000, Seite 14; Claus Heinrich Bill: Adel als Meister der Sichtbarkeit, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 1. Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2017, Seite 36-37; siehe zur Problematisierung des Begriffes indes auch Claus Heinrich Bill: Un/Sichtbarkeiten in kulturwissenschaftlicher Perspektive mit besonderem Bezug auf die neuere Adelsforschung, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXI., Folge Nr. 103, Sonderburg 2018, Seite 37-44. Zur Praktik der „public history“ und seiner Adelsnähe sind Untersuchungen noch nicht bibliographisch ermittelbar gewesen, obschon Adel dauernd „Histotainment“ und Geschichtspolitik in eigener Sache betrieb, Adel sogar als einer der Lehrmeister der „public history“ mit jahrhundertelanger Erfahrung in diesem Bereich gelten kann; allgemein dazu siehe Martin Lücke / Irmgard Zündorf: Einführung in die Public History, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018, 207 Seiten. Zur Praktik der Kruppschen Verkleidung als Ritter im 20. Jahrhundert (repräsentiert in der zugehörigen Statuette in der Ausstellung, Seite 170) siehe indes Wolfgang Hochbruck: Geschichtstheater. Formen der „Living History“. Eine Typologie, Bielefeld: Transcript 2013, 152 Seiten (Band 10 der Reihe „Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen“).
  • [9] = Siehe dazu beispielhaft die sich in Details unterscheidenden Ansätze von a) John H. Kautsky: Funktionen und Werte des Adels, in: Peter Uwe Hohendahl / Paul Michael Lützeler (Hg.): Legitimationskrisen des deutschen Adels 1200-1900, Stuttgart: J. B. Metzler 1979, Seite 1-16; b) Gerhard Dilcher: Der alteuropäische Adel, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Europäischer Adel 1750-1950, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1990, Seite 87-95, c) Otto Gerhard Oexle: Aspekte der Geschichte des Adels im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Europäischer Adel 1750-1950, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1990, S. 19-56, d) Marcus Funck / Stephan Malinowski: Geschichte von oben. Autobiographien als Quelle einer Sozial- und Kulturgeschichte des deutschen Adels in Kaiserreich und Weimarer Republik, in: Historische Anthropologie, Band 7, Heft 2, Köln: Böhlau 1999, S. 236-270, e) Eckart Conze: Adel, in: Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des Adels, München: C. H. Beck 2005, Seite 15-18. Es gibt indes noch weitere Versuche zur Extrahierung einer möglichen Adelsessenz; dazu zählen auch satirische Verarbeitungen wie f) Gregor von Rezzori: Adel. Aus guten Kisten und wenn möglich, noch besseren Ställen. Wertvolle Anleitungen zu Kenntnis und Verständnis der vorbildgebenden, tonangebenden sowie schlechthin angebenden Gesellschaftsschicht (Band 2 der Reihe „Idiotenführer durch die Deutsche Gesellschaft“), Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1962, 80 Seiten, aber auch g) Boris Wittich / Gerhard Brinkmann: Von Blaublütigen und Andersgläubigen. Die schönsten Witze über Adel, Juden, Geistlichkeit, München / Zürich: Droemer Knaur 1981, 126 Seiten (Band 2021 der Schriftenreihe „Knaur-Taschenbücher“). Hinzukommen etliche literarische Fixierungen von Adelswerten wie beispielsweise bei h) Anke-Marie Lohmeier: Das Lob des adligen Landlebens in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts, in: Dieter Lohmeier (Hg.): Arte et Marte, Studien zur Adelskultur des Barockzeitalters in Schweden, Dänemark und Schleswig-Holstein, Neumünster: Wachholtz 1978, Seite 173-191.
  • [10] = Video „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr. Die Pressekonferenz zur Aus[s]tellung“ seitens des Youtube-Kanals „Ruhr Museum“ unter der virtuellen Adresse „https://youtu.be/8TcJX9P7M9I“ gemäß Abruf vom 12. Dezember 2021 bei 22:47 min.
  • [11] = So die aktuelle Auszählung gemäß der unten erwähnten Neuen Adels-Bibliographie.
  • [12] = Dazu gehört zweifellos Carl Friedrich Ferdinand von Strantz: Geschichte des deutschen Adels urkundlich nachgewiesen von seinem Ursprunge bis auf die neueste Zeit, Breslau: Kühn 2. Auflage 1853, 3 Bände. Später aber auch eher Einführungen wie Heinz Reif: Adel im 19. und 20. Jahrhundert, München: Oldenbourg 2. Auflage 2012, VIII und 174 Seiten (Band 55 der Reihe „Enzyklopädie deutscher Geschichte“); Michael Sikora: Der Adel in der Frühen Neuzeit, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2009, VII und 148 Seiten; Gottfried Peter Kauschnick: Geschichte des deutschen Adels, Dresden 1831, 93, 95, 125 und 116 Seiten (vier Teile in einem Bande); Robert Steimel: Im vordersten Gefecht. Kleine Geschichte des deutschen Adels, Köln-Zollstock 1959, 176 Seiten.
  • [13] = Augenscheinlich nicht benützt wurde laut Katalog-Bibliographie (Seite 358 mit dem Buchstaben „B“ der Nachnamen der Autor*innen der „Vorstudien“) Claus Heinrich Bill: Neue Adels-Bibliographie. Monographien, Sammelbände und Aufsätze des Erscheinungszeitraums 1494 bis einschließlich September 2021 zum Adel in den deutschsprachigen Ländern, Sonderburg 7. Auflage 2021, 1287 Seiten.
  • [14] = Video „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr. Die Aus[s]tellungseröffnung“ unter der Adresse „https://youtu.be/J3iPnd2XwTo“ bei 48:56 min gemäß Abruf vom 12. XII. 2021 Hinzuweisen ist indes auf die folgenden kleineren Arbeiten zum Ruhradel (Arbeiten zu einzelnen Familien hier ausgenommen): Nomen Nescio: Graf Koks (von der Gasanstalt), in: Berliner Zeitung (Berlin) vom 6. September 2021, Seite 8 (Wortherkunftserklärung auch des Begriffs „Ruhrbaron“); Maren Schürmann / Georg Howahl: Schlösser, Burgen und Ruinen. Historische Gemäuer und ihre Geschichte im und um das Ruhrgebiet, Essen 2018, 160 Seiten; Heinz Weirauch: Mittelalterliche Adelsfamilien in Mülheim an der Ruhr. Eine Spurensuche, Mülheim an der Ruhr 2020, 144 Seiten. Zum rheinischen Adel dagegen gibt es wesentlich mehr Publikationen, zum Beispiel zählen dazu Monika Gussone / Hans-Werner Langbrandtner / Peter K. Weber: Zwischen Macht und Ohnmacht. Spielräume adliger Herrschaft im frühneuzeitlichen Rheinland, Bielefeld 2020, 384 Seiten; Monika Gussone: „Bewilligt uund fry zugelaißen ederem Stande, sich in der Religion zu halten nach der alten Religion ob der Augspurgscher Confeßion“. Rheinischer Adel und Kirchenpolitik zur Zeit der Reformation und Konfessionalisierung, in: Monika Gussone / Hans-Werner Langbrandtner / Peter K. Weber: Zwischen Macht und Ohnmacht. Spielräume adliger Herrschaft im frühneuzeitlichen Rheinland, Bielefeld 2020, Seite 195-229;, Martin Otto Braun: An den Wurzeln der Tugend. Rheinischer Adel und Freimaurerei 1765-1815, Köln 2015, 316 Seiten; Michael Embach: Rheinischer Adel und Deutsche Klassik. Die Beziehungen der Dalberg-Brüder zum „Weimarer Musenhof“, in: Peter Ensberg / Jürgen Kost (Hg.): Klassik-Rezeption. Auseinandersetzung mit einer Tradition (Festschrift für Wolfgang Düsing), Würzburg 2003, Seite 19-33; Gudrun Gersmann / Hans-Werner Langbrandtner / Ulrike Schmitz (Hg.): Im Banne Napoleons. Rheinischer Adel unter französischer Herrschaft. Ein Quellenlesebuch (Band 4 der Schriften der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland), Essen 2013, 336 Seiten; Norbert Schloßmacher: Der Rheinische Adel und der Kulturkampf. Kämpfer für die Rechte seiner heiligen Mutter am Beispiel der Familie von Loë und anderer rheinischer Adelsfamilien, in: Gemeindeverwaltung Weeze (Hg.): Die Freiherren und Grafen von Loë auf Schloss Wissen, Weeze 2015, Seite 66-94; F. Graf von Metternich: Die Rheinlande und ihr Adel in der deutschen Geschichte, in: Deutsches Adelsblatt (Berlin), Jahrgang XLV, Ausgabe Nr.18 vom 21. Juni 1927, Seite 385-386; Johannes Mötsch: Adlige Dingtage. Keine Kuriosa der rheinischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, in: Rheinische Vierteljahrsblätter. Mitteilungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn, Bonn 1995, Jahrgang LIX, Seite 325-329; Freiherr von Salis-Soglio: Der Rheinische grundbesitzende Adel, in: Deutsches Adelsblatt (Berlin), Ausgabe Nr. 8 vom 17. Februar 1934, Seite 127-128; usw.
  • [15] = Dazu siehe Deutsches Adelsarchiv (Hg.): Adelslexikon des Genealogischen Handbuches des Adels, Limburg an der Lahn: C. A. Starke 1972-2008, 17 Bände mit Artikeln zu den Einzelfamilien.
  • [16] = Video „Eine Klasse für sich. Adel an Rhein und Ruhr. Die Pressekonferenz zur Aus[s]tellung“ seitens des Youtube-Kanals „Ruhr Museum“ unter der virtuellen Adresse „https://youtu.be/8TcJX9P7M9I“ gemäß Abruf vom 12. Dezember 2021 bei 47:28 min.
  • [17] = Dazu siehe Eckart Conze: Etagenadel, in: Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des Adels, München 2005, Seite 82; Dolf Baron von Haaren: Ein Ruck gehe durch die VdDA (betrifft Jugendmangel, Aufbau einer Adelszentrale, Diskussion und Abgrenzung zum „Etagenadel“), in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang XXXVIII, Kirchbrak 1999, Seite 118-120; Horst W. von Rohr: Leserbrief (betrifft Abgrenzung zum „Etagenadel“), in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang XXXVIII, Kirchbrak 1999, Seite 182-183; Gerrick Baron von Hoyningen genannt Huene: Aus Tradition in die Zukunft. Einführung in den Festakt 50 Jahre VdDA, in: Deutsches Adelsblatt. Mitteilungsblatt der Vereinigung der Deutschen Adelsverbände (Kirchbrak), Jahrgang 45, Ausgabe Nr. 12 vom 10. Dezember 2006, Seite 310-311 (betrifft unter anderem „Etagenadel“). Zur längeren Tradition verarmten Adels siehe Ewald Frie: Armer Adel in nachständischer Gesellschaft, in: Ronald Gregor Asch (Hg.): Adel in Südwestdeutschland und Böhmen 1450-1850, Stuttgart 2013, Seite 207-221; Ewald Frie: Oben bleiben? Armer preußischer Adel im 19. Jahrhundert, in: Gabriele Berta Clemens / Malte König / Marco Meriggi (Hg.): Hochkultur als Herrschaftselement. Italienischer und deutscher Adel im langen 19. Jahrhundert, Berlin 2011, Seite 327-340; Gerhard E. Sollbach: Armer Adel auf Haus Herbeck, in: Hagener Heimatbund (Hg.): HagenBuch. Impulse zur Stadt-, Heimat- und Kunstgeschichte, Band 6 (2012), Hagen 2011 [sic!], Seite 197-200; Chelion Begass: Armer Adel in Preußen 1700-1830, 457 Seiten (Band 52 der Reihe „Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte“); Johanna Singer / Jacek Klimek: Armer Adel 1700 bis 1900, in: Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Neue Folge (Stadt und Hof), Jahrgang III., Kiel 2014, Seite 85-95; Johanna Mirjam Singer: Arme adlige Frauen im Deutschen Kaiserreich, Tübingen 2016, 452 Seiten. Überhaupt ist im Katalog feststellbar, daß im Narrativ der Ausstellungsmachenden adelige soziale Mobilität „nach oben“ eine größere Rolle spielt (Nobilitierungen, Standeserhebungen) als die Mobilität „nach unten“, denn Bemerkungen zu Verarmung, Adelsentzug oder Adelsverzicht konnten nicht in gleichem Gewicht ermittelt werden. Siehe dazu jedoch Paula Kronheimer: Grenzglieder des Standes, in: Kölner Vierteljahrsshefte für Soziologie, Band 6, München 1927, Seite 248-268. So war beispielsweise, um den Regionalbezug herzustellen, im Jahre 1858 durch das Soester Kreisgericht die Dienstmagd Julie von E. zum strafrechtlichen Adelsverlust, zu 3 Monaten Gefängnis, zur Untersagung der bürgerlichen Ehrenrechte auf 1 Jahr und zur Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt worden. Siehe dazu Geheimnes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Dahlem, Bestand I. Hauptabteilung Rep.100 Ministerium des Königlichen Hauses Nr. 3750, Eintragsnummer 528 sowie ibidem, jedoch Nr. 3774, Blatt 59 Vorderseite bis 61 Vorderseite (es handelte sich der letzterwähnten Quelle zufolge um die 17jährige Tochter des vermögenslosen und unter Kuratel stehenden Friedrich Wilhelm von E. aus Soest; verurteilt worden war sie wegen des Diebstahls eines Schuhpaars und eines Umschlagetuches ihrer Dienstherrschaft. Der Katalogtext handelt also im Sinne der Bemerkung Kühnels (2013): „Allgemein ist für die Adelsforschung zu konstatieren, dass sie sich in erster Linie auf die erfolgreichen Adeligen und ihren Kampf ums Obenbleiben fokussiert. Diejenigen, die ihren Status nicht verteidigen konnten, fallen in dieser Sichtweise häufig aus dem Stand heraus und sind deshalb – weil sie nicht mehr als Adelige gelten – uninteressant.“ Zitiert nach Florian Kühnel: Kranke Ehre? Adlige Selbsttötung im Übergang zur Moderne, München: Oldenbourg 2013, Seite 22.
  • [18] = Zum Topos und zur Begrifflichkeit der „Erinnerungsgemeinschaft“ derjenigen Personen, die ehemalige Adelszeichen oder -titel nach 1919 im Namen trugen, siehe Michael Seelig: Alltagsadel. Der ehemalige ostelbische Adel in der Bundesrepublik Deutschland 1945/49-1975, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2015, Seite 430-436.
  • [19] = Peter Gross: Klasse für sich, in: Daniela Klimke / Rüdiger Lautmann / Urs Stäheli / Christoph Weischer / Hanns Wienold (Hg.): Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden: Springer VS 6. Auflage 2020, Seite 385. Im Gegensatz dazu siehe Ottheim Rammstedt: „Klasse an sich, in der marxistischen Theorie Bezeichnung für eine Klasse, die noch nicht zum Bewusstsein ihrer eigenen Interessenlage gekommen ist. Die Mitglieder der K.a.s. weisen zwar aufgrund ihres Verhältnisses zu den Produktionsmitteln gleiche Interessen auf, sind sich jedoch noch nicht ihrer im Klassengegensatz objektiv gegebenen Gemeinsamkeit bewusst und haben sich noch nicht zur Klasse als Handlungseinheit zusammengefunden.“ Zitiert nach ibidem, Seite 385.
  • [20] = Dazu siehe Friedrich v.Sydow: Über die Verarmung adeliger Familien, in: Zeitung für den Deutschen Adel, Jahrgang IV, Altenburg 1843, Seite 327-328, 331-332, 335-336, 339-340 und 343-344; Peter Nathaniel Stearns (Hg.): Encyclopedia of European social history from 1350 to 2000, New York 2001, Bände 1-6 mit 553, 553, 526, 524, 529 und 501 Seiten [betrifft unter anderem verarmten Adel, siehe dazu die Verweis im Register in Band 6 auf Seite 464]; Nomen Nescio: Verarmte Adlige, in: Neues Wiener Journal 1. Oktober 1911, Seite 5; Nomen Nescio: Verarmte Aristokraten, in: Neues Wiener Journal (Wien), Ausgabe Nr. 7132 vom 31. August 1913, Seite 5-6; Begass, Chelion / Singer, Johanna: Arme Frauen im Adel. Neue Perspektiven sozialer Ungleichheit im Preußen des 19. Jahrhunderts, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): Archiv für Sozialgeschichte, Band 54, Bonn 2014, Seite 55-78; Lorenz, Stephanie: Verarmungsverläufe bei adligen Frauen. Bittschriften an den preußischen König in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Berlin 2011, 114 Seiten (Magisterarbeit Universität Trier 2011); Nomen Nescio (C.): Verein der Adelsgenossenschaft gegen Verarmung ihrer Glieder, in: Zeitung für den Deutschen Adel, Jahrgang IV (1843), Seite 81-82, et cetera.
  • [21] = Auch das kann nur behauptet werden, wenn man wesentliche Verflechtungen zwischen Adel und Nichtadel ausblendet und nicht wahrnimmt. Zur Abhängigkeit der Adelsexistenz von nichtadeligen Umwelten siehe exemplarisch a) Christine van den Heuvel: Amt und Kredit. Justus Möser als Kreditgeber des Osnabrücker Adels, in: Jürgen Schlumbohm (Hg.): Soziale Praxis des Kredits [vom] 16. -20. Jahrhundert, Hannover 2007, Seite 81-97; b) Ralf Dahrendorf: Homo sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle, Köln: Westdeutscher Verlag 1959, 71 Seiten; c) Claus Heinrich Bill: Zur Theorie und Praxis der Deferenz als soziohistorisches nichtadeliges Interaktionsritual gegenüber dem Adel (1/3), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXIII., Folge Nr. 111, Sonderburg 2020, Seite 2-52; fortgesetzt in Folge Nr. 112, Sonderburg 2020, Seite 2-52 (Teil 2/3) und in Folge Nr. 113, Sonderburg 2020, Seite 2-17 (Teil 3/3); d) Claus Heinrich Bill: Einführung in das neue konstruktivistische Adelskonzept „Un/doing nobility“ mit aktueller Forschungssynopse, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXII., Folge Nr. 108, Sonderburg 2019, Seite 13-42; e) Erving Goffman: Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation, Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1986, Seite 54-105 (Kapitel „Über Ehrerbietung und Benehmen“); f) Sven Solterbeck: Blaues Blut und rote Zahlen. Westfälischer Adel im Konkurs 1700-1815, Münster 2018, 455 Seiten. In Ausstellung und Katalog sind Adel und Nichtadel voneinander getrennt dargestellt worden, nicht nur hinsichtlich der ständischen Gesellschaft (Seiten 23 und 34); sie werden sogar durch Bediente noch gedanklich auseinandergerückt, weil Domestik*innen von den Katalogschreibenden als Medium zwischen Bevölkerung und Adel verstanden werden (Seite 268). Dabei ist dieser Eindruck irreführend, da Bediente aus der Bevölkerung stammten, also keine Mittlerfunktion besitzen konnten; sie stellten schließlich keinen eigenen „Stand“ dar. Im Gegenteil war an Bedienten die je direkte alltägliche Kooperation (oder Konflikthaftigkeit) zwischen Adel und Bevölkerung ablesbar. Darüber hinaus sind andere Erklärungen der Ausstellungsmachenden zur ständische Gesellschaftsvorstellung nicht nur verwirrend, sondern widersprüchlich. So heißt es an einer Stelle, die Ständegesellschaft habe in der Realität aus Adel, Klerus und drittem Stand, der “Bürger, Handwerker, Bauern und das ‚gemeine Volk‘“ umfaßt habe, bestanden (Seite 23); an anderer Stelle dann heißt es aber, daß in dem idealiter gedachten Dreiständeschema Bürger gar nicht enthalten gewesen seien (Seite 34). Eine andere irritierende Behauptung ist, daß Kinder von Adeligen mit Kinderkutschen, die von Ponys, Kindern, Kindermädchen oder Hausburschen gezogen worden sein sollen, den Umgang mit Zugtieren einübt hätten (Seite 121); die Bemerkung erscheint jedoch nur für die Ponys als Zugtiere zulässig, da man mit Kindern, Kindermädchen und Hausburschen den Umgang mit Tieren nicht einüben konnte. Gleichwohl ist der Hinweis auf derlei Kutschen und auch die Ausstellung einer solchen in der „Kohlenwäsche“ löblich, da sie einen wichtigen artefaktlichen Bestandteil adeliger Pädagogik, Erziehung und der Sozialisation darstellt. Eine weitere auffallende Ungereimtheit besteht indes darin, daß an anderer Stelle geistliche mit weltlichen Ritterorden verwechselt werden (Seite 330).
  • [22] = Zum Begriff siehe Andreas Kemper / Heike Weinbach: Klassismus. Eine Einführung, Münster: Unrastverlag 4. Auflage 2021, 188 Seiten.
  • [23] = Dazu siehe zusammenfassend Christian von Scheve: Thorsten Veblen. The theory of the leisure class, in: Klaus Kraemer (Hg.): Schlüsselwerke der Wirtschaftssoziologie, Wiesbaden: Springer VS 2. Auflage 2021, Seite 59-67; das Original erschien unter Thorstein Bundle Veblen: The Theory of the leisure class. An economic study in the evolution of institutions, New York: Macmillan 1899, VIII und 400 Seiten.
  • [24] = Zu dieser wichtigen Unterscheidung siehe Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main 2010, Seite 63: „Sobald man aufhört, Gruppen zu bilden und umzubilden, gibt es keine Gruppen mehr“.
  • [25] = Dazu siehe vertiefend die Bemerkungen zur „Ständegesellschaft“ bei Friedrich Jaeger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit, Band XII, Stuttgart 2010, Spalte 865-872, bei Wolfgang Reinhard: Lebensformen Europas. Eine historische Kulturanthropologie, München 2004, Seite 315-318, bei Gerd Reinhold (Hg.): Soziologie-Lexikon, München 4.Auflage 2000, Seite 646, bei Günter Endruweit: Wörterbuch der Soziologie, Konstanz 3. Auflage 2014, Seite 513-514 sowie bei Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 5. Auflage 2007, Seite 854-855. Zum Milieu siehe Hans-Uwe Otto / Hans Thiersch (Hg.): Handbuch Soziale Arbeit, München 4. Auflage 2011, Seite 769-795 (hier in Verknüpfung als „Klasse, Schicht, Milieu“, aber auch ohne diese Verflechtung Gerd Reinhold (Hg.): Soziologie-Lexikon, München 4. Auflage 2000, Seite 433 (Milieutheorie).
  • [26] = Dazu siehe Kai-Olaf Maiwald / Inken Sürig: Mikrosoziologie. Eine Einführung, Wiesbaden / Heidelberg: Springer VS 2018, VII und 227 Seiten; Hilmar Schäfer: Die Instabilität der Praxis. Reproduktion und Transformation des Sozialen in der Praxistheorie, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2020, 432 Seiten.
  • [27] = Dazu siehe Reinhard Schotola: Menschen auf Würting. Familien, Schicksale, Zeitbezüge. Schloss Würting. Von den Grafen von Wels-Lambach bis zu den Seeauer, von Einschildrittern, Söldnern, Eisenhändlern, Salzbaronen, Industriegründern, von Lutheranern und Katholiken, von altem und neuem Adel, von englischen Gräfinnen und Kohlenbaronen, Offenhausen 2016, 151 Seiten (betrifft unter anderem Aristokratisierungsformen der Schlotbarone, Kohlenbarone, Salzbarone und Einschildritter); Claus Heinrich Bill: Grubenbaron, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Kulturwissenschaftliches Wörterbuch, Lieferung Nr. 8, Sonderburg 2018, Seite 384-392. Zum Aristokratismus siehe Jens Wietschorke: Aristokratismus als kulturwissenschaftliches Problem. Seminarnotizen zu einer europäischen Sozialformation, in: Heidrun Alzheimer / Sabine Doering-Manteuffel / Daniel Drascek / Angela Treiber (Hg.): Jahrbuch für europäische Ethnologie [herausgegeben im Auftrag der Görres-Gesellschaft], Band 13 [Länderschwerpunkt Dänemark], Paderborn 2018, Seite 265-283; Eckart Conze / Wencke Metelig / Jörg Schuster / Jochen Strobel (Hg.): Aristokratismus und Moderne. Adel als politisches und kulturelles Konzept 1890-1945, in: Eckart Conze / Wencke Meteling / Jörg Schuster / Jochen Strobel (Hg.): Aristokratismus und Moderne. Adel als politisches und kulturelles Konzept 1890-1945, Köln / Weimar / Wien 2013, Seite 9-29. Aristokratismen haben sich indes auch anderweitig eingeschlichen, so wenn im Abschnitt über „Gärten und Parks“ (Seite 230-241) ein Plan der Villa Hügel von 1870 präsentiert wird (Seite 241), die zu dieser Zeit gar nicht in adeliger Hand war, sondern lediglich dem „großbürgerlichen“ Industriellen Alfred Krupp gehörte. Der eigenen Ausstellungsdefinition von Adel als einer Gruppe von „Menschen mit erblichen Privilegien“ (Seite 22) entspricht diese bild-textliche Herzunahme nicht. Außer dieser Minimal-Definition wird der Begriff „Adel“ leider nicht hinreichend reflektiert, wenngleich auch unsystematisch hier und dort im Katalog angereichert, so exemplarisch durch die folgende Bemerkung: „Die Zugehörigkeit zum Adel zeigte sich nicht nur im politischen, rechtlichen und sozialen Status, sondern vor allem in seinen Wohnformen“ (Seite 218).
  • [28] = Dazu findet sich im Katalog außerdem der wichtige bibliographische Hinweis auf ein Bautagebuch. Dies weiterverfolgend hätte man oder könnte zukünftig in einer anderen Ausstellung auch noch eine großflächige Karte erstellen mit Herkunftsorten und je nach im/materiellen Human/Aktanten farbigen Fäden, die auf die Koordinaten von Schloss Horst (heute zur Stadt Gelsenkirchen gehörend) zulaufen. Siehe dazu a) Förderverein Schloß Horst (Hg.): Adelskultur der Frühen Neuzeit in Westfalen und am Niederrhein am Beispiel der Herrschaft Horst im Emscherbruch. Ergebnisse der Jahrespartnerschaft 2018/2019 des Instituts für niederrheinische Kulturgeschichte und Regionalentwicklung des Universität Duisburg-Essen und des Museums Schloß Horst in Gelsenkirchen, Gelsenkirchen-Horst 2021, 111 Seiten, sowie b) vergleichbar Carolin Sophie Prinzhorn: Das Bautagebuch des Rudolf von Dincklage aus den Jahren 1597 bis 1603, in: Historische Hausforschung im Archiv, Heidenau: PD-Verlag 2018, Seite 188-206. Anbieten würde sich fernerhin für herausragende Artefakte wie das Zeremonialschwert des Frauenstiftes Essen (Seite 31) auch der Versuch einer Dingbiographie, in der Entstehung, Netzwerkbildung, Aufbewahrung, Restaurierung und Verwendung über die „longue durée“ seiner Existenz hin analysiert werden könnte. Siehe dazu Dietrich Boschung / Patric-Alexander Kreuz / Tobias Kienlin (Hg.): Biography of objects. Aspekte eines kulturhistorischen Konzepts, Paderborn: Wilhelm Fink 2015, 192 Seiten (Band 31 der Reihe „Internationales Kolleg Morphomata“). Allerdings warnte Hahn (2015) davor, allzu sehr auf „das Einzelding“ zu schauen: „Zusammenstellungen von Dingen sind vielleicht die wichtigste Quelle, um Kontexte und damit auch Bedeutungen zu rekonstruieren. Dinge in ihrem Zusammenhang zu beobachten, kann überhaupt als der zentrale Zugang bezeichnet werden, um Lebenswelten und sinnhaftes Handeln zu verstehen. All diese Pfade [der] Erkenntnis werden verschüttet oder wenigstens vernachlässigt, wenn wir der gefährlichen Metapher der Objektbiographien folgen“. Zitiert nach Hans-Peter-Hahn: Dinge sind Fragmente und Assemblagen. Kritische Anmerkungen zur Metapher der ‚Objektbiografie‘, in: Ibidem, Seite 25. Sicherlich reizvoll wären aber für die museumspädagogische Vermittlung sowohl Netzwerkanalysen als auch herausragende „Dingbiographien“.
  • [29] = Die Aussage stützt sich auf Gisela Framke / Gisela Marenk (Hg.): Wie belieben? Zur Situation von Dienstboten 1850 bis 1914, Dortmund: Deutsches Kochbuchmuseum 1989, 64 Seiten. Weiter heranzuziehen wären neuere Forschungsergebnisse, so auch Birgit Speckle / Bettina Keß: Ein Sommerschloss in Aschach. Die Grafen von Luxburg, ihre Dienstboten und die Dorfbewohner, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften / Kommission für Bayerische Landesgeschichte (Hg.): Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde, München 2018, Seite 111-153; Sabine Hödl: Salondamen und Dienstboten. Jüdisches Bürgertum um 1800 aus weiblicher Sicht, Sankt Pölten: Institut für jüdische Geschichte Österreichs, Sankt Pölten 2009, 76 Seiten; Birgit A. Jensen: „Was sind wir Dienstboten doch für elende Geschöpfe!“ Female working-class agency in two German autobiographies at the turn of the century, in: Marjanne E. Goozé (Hg.): Challenging separate spheres, Oxford: Lang 2007, Seite 211-231; Eva Eßlinger: Das Dienstmädchen, die Familie und der Sex. Zur Geschichte einer irregulären Beziehung in der europäischen Literatur, München / Paderborn: Fink 2013, 389 Seiten, et cetera.
  • [30] = Allerdings läßt sich beispielsweise das in diese argumentative Richtung eines "sittenlosen" Adels gehen könnende „Jus primae noctis“ im praktischen Vollzug nur schwerlich nachweisen; siehe dazu Jörg Wettlaufer: Das Herrenrecht der ersten Nacht. Hochzeit, Herrschaft und Heiratszins im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main: Campus 1999, 430 Seiten (zugleich Dissertation an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1998).
  • [31] = Dazu siehe Claus Heinrich Bill: Zur Theorie und Praxis der Deferenz als soziohistorisches nichtadeliges Interaktionsritual gegenüber dem Adel (1/3), in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXIII, Folge Nr. 111, Sonderburg 2020, Seite 2-52; fortgesetzt in Folge Nr. 112, Sonderburg 2020, Seite 2-52 (Teil 2/3) und in Folge Nr. 113, Sonderburg 2020, Seite 2-17 (Teil 3/3).
  • [32] = Für gewöhnlich wurden dazu jedoch abgelegte Kleider nicht der Domestik*innenschaft, sondern der Adeligen selbst benützt; siehe dazu die Annoncen, wie sie beispielsweise in der Illustrierten Kronen-Zeitung (Wien), Ausgabe Nr. 5387 vom 31. Dezember 1914, Seite 16, erschienen waren: „Großartige Gelegenheitskäufe. Von höchster Aristokratie: Strassenkostüme, Soireekleider, Bühnentoiletten, Stoffmäntel, Tuchjacken, Plüschjacken, Samtjacken, Schöße, Blusen, Pelzgarnituren, Hüte, Schuhe etc. Riesenauswahl. Spottpreise. Erstes Wiener Herrschaftskleiderhaus Frieme [Frida] Kretz, 20. Bez.[irk], Brigittenauerlände [sic!] 28. Tür 17-19. Telephon 14.853.“
  • [33] = Es könnte eingewendet werden, daß es sich dabei lediglich um ein Zitat aus der Krünitzschen Enzyklopädie aus dem 19. Jahrhundert handelt (Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie, Band 17, Berlin: Joachim Pauli 1779, Seite 675: „Denn sie werden in solchem Anzuge für Leute angesehen, die sie doch nicht sind“), das „erspart“ jedoch ist ein pejorativer Begriff, der von den Autor*innen 2021 stammt, die damit die ehemalige Krünitzsche Haltung verstärken und befürworten. Zudem ist falsch zitiert worden (Seite 272), denn in der oben genannten und zitierten Krünitz-Enzyklopädie ist ein behauptetes Lemma „Gesinde-Kleidung“ nicht ermittelbar, nur ein Lemma „Gesinde“, innerhalb dessen dann unter anderem über Kleidung gesprochen wird.
  • [34] = Dazu siehe Eva L.-Waniek: Von der Anrufung des Subjekts oder zum Verhältnis von Performativität, Zwang und Genuss bei Butler, Austin, Althusser und Lacan, in: Arno Böhler (Hg.): Ereignis Denken, Wien: Passagen-Verlag 2009, Seite 157-194, aber auch Daniel Warna / Marion Ott: Anrufung, in: Daniel Wrana / Alexander Ziem / Martin Reisigl / Martin Nonhoff / Johannes Angermuller (Hg.): DiskursNetz. Wörterbuch der interdisziplinären Diskursforschung, Frankfurt am Main 2014, Seite 30-31.
  • [35] = Es werden zum Komplex des Adels-“Bildes“ als sozialer Rollentypus oder Soziotyp einer gesellschaftlichen Minderheit zwar auch negative Ausprägungen vorgestellt, dies jedoch nicht im Kapitel der „Faszination“, sondern merkwürdig unverbunden im Kapitel „Standesbewusstsein. Machtverlust und Machterhalt“ (Seite 173-175).
  • [36] = Die gegenteilige Meinung vertritt indes Gerd Janke: Adelsnamen in der DDR, in: Neue Justiz, München 2013, Heft 2, Seite 62-64 (betrifft den „Karnevalsadel“, das heißt die ausdrückliche ministerielle Genehmigung, den Adel als historische Sozialformation durch den Gebrauch von fiktionalen Adelstiteln im Karneval der Lächerlichkeit preiszugeben).
  • [37] = Dazu siehe Erving Goffman: Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation, übersetzt von Renate Bergsträsser und Sabine Bosse, Frankfurt am Main: Suhrkamp 12. Auflage 2019, 291 Seiten (darin ein Kapitel über „Ehrerbietung“).
  • [38] = Dazu siehe a) Jochen A. Bär: Historische Semantik aus hermeneutisch-linguistischer Perspektive – Dimensionen von Adel um 1800, in: Franz Bölsker / Michael Hirschfeld / Wilfried Kürschner / Franz-Josef Luzak (Hg.): Dona Historica – Freundesgaben für Alwin Hanschmidt zum 80. Geburtstag, Berlin 2017, Seite 361-396, b) Claus Heinrich Bill: Gesellschaftliche Adelsvorstellungen und ihre Bedeutung für die soziale Erzeugung der Gentilhommerie im 19. Jahrhundert, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Zeitschrift für deutsche Adelsforschung, Jahrgang XXI., Folge Nr. 101, Sonderburg 2018, Seite 2-52 (mit einer Zusammenfassung des noch unbefriedigenden Forschungsstandes), c) Kai Drewes: Jüdischer Adel. Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2013, 467 Seiten (betrifft unter anderem die „Adelsfabrik Portugal“); ferner dazu exemplarisch Nomen Nescio: Eine Adelsfabrik, in: Ostdeutsche Rundschau (Wien) Abend-Ausgabe Nr. 132 vom 15. Mai 1901, Seite 2: „Man schreibt uns aus Petersburg: In Kutais, der Hauptstadt von Mingrelien, wo auch der Adelsmarschall dieses Guberniums Fürst Zereteli seinen Sitz hat, wurde eine förmliche Adelsfabrik entdeckt. Wer einige hundert Rubel spendirt, erhielt ein Adelsdiplom und wurde in die mingrelische Adelsmatrikel eingetragen. Die Regierung hat den Staatsrath Mickiewicz zur Untersuchung dieser Mißbräuche nach Kutais entsendet.“
  • [39] = Zu dieser durchaus treffenden Bezeichnung für die „Vermittlungsstelle“ siehe Georg Freiherr von Frölichsthal: Glosse, in: Deutsches Adelsblatt. Magazin der deutschen Adelsverbände (Kirchbrak), Jahrgang 58, Ausgabe Nr. 1 vom 15. Januar 2019, Seite 5 („Adelsfabriken“, Teil 1/2) und Ausgabe Nr. 2 vom 15. Februar 2019, Seite 5 („Adelsfabriken“, Teil 2/2) Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf Lisa Oenning: Was der Billig-Baron aus dem Internet taugt. Für zwölf Euro können Verbraucher im Internet Adelstitel kaufen. Die Händler versprechen private und berufliche Vorteile. Was die Namenszusätze den Käufern wirklich bringen und was der echte Adel davon hält. Ein Blick ins WiWo-Archiv, erstellt am 11. Dezember 2021 als Neuausgabe eines älteren Online-Artikels; erreichbar unter der URL „https://www.wiwo.de/13825940.html“ (gemäß Abruf vom 16. Dezember 2021).
  • [40] = Zu einem solchen Fall siehe den Karikaturisten und Maler Lothar Blickensdorf aus Münster, der sich als körperliches Gesamtkunstwerk versteht; dazu siehe Gunda Bartels: Wer nix wird, wird Graf. Adelig zu werden war die beste Idee seines Lebens, sagt Lo von Blickensdorf. Heute liest der selbsternannte Blaublüter in Kreuzberg aus seinen Abenteuern, in: Der Tagesspiegel, Ausgabe Nr. 20492 vom 7. Januar 2010, Seite 11; Lo Graf von Blickensdorf: Werden Sie doch einfach Graf! Biste was, kriegste was, Berlin 2009, 191 Seiten; Ina Brzoska: Kalorienfreies Kaffeekränzchen im Kaschmir-Sakko. Lo Graf von Blickensdorf ist Berlins beliebtester Tortenblogger. Fans aus aller Welt teilen mit ihm das Konditern und die Liebe zum Kuchen, in: Berliner Morgenpost, Ausgabe Nr. 65 vom 7. März 2011, Seite 16; Rolf Kremming: Graf Quickie. Seit sich Maler Lo Blickensdorf einen Adelstitel zugelegt hat, ist er beliebt wie nie zuvor, in: Morgenpost am Sonntag, Ausgabe vom 21. Juni 2009, Seite 20-21; Andreas Kurtz: Der Schnäppchengraf im Ein-Euro-Jackett. Der Maler Lo Graf von Blickensdorf hat sich selbst geadelt und damit gute Erfahrungen gemacht, in: Berliner Zeitung (Berlin), Ausgabe Nr. 304 vom 31. Dezember 2009, Seite 24; Andreas Kurtz: Im Schlepptau des Freiherrn. Maler Lo Graf von Blickensdorf profitiert vom Adelsboom und kann sich endlich ordentlich ausweisen, in: Berliner Zeitung, Ausgabe Nr. 256 vom 2. November 2010, Seite 22.
  • [41] = Es gab zwar eine gleichnamige recht berühmte Familie „v.E.“, aber diese besaß keinen Grafenstand; siehe dazu Adelslexikon des Genealogischen Handbuches des Adels, Band III, Limburg an der Lahn: C. A. Starke 1975, Seite 102-103.
  • [42] = Dazu siehe Wolfgang Loos: Namensänderungsgesetz. Kommentar, Neuwied: Luchterhand 2. Auflage 1996, 274 Seiten. Ein anderer Widerspruch: Auf Seite 344 ist von einem „Adelsverband“ die Rede, der sowohl „Mitglieder[n] aus adeligen Familien als auch solchen „mit adeligen Namen“ offenstehe. Zur zugrunde liegenden Diskussion siehe indes Hans Friedrich von Ehrenkrook: Familienverbände des Uradels nun mit nichtadeligen Mitgliedern? Geben die Familienverbände des Adels ihre Grundlagen auf?, in: Deutsches Adelsarchiv (Westerbrak), Jahrgang II, Ausgabe Nr. 8 vom 15. August 1956, Seite 146; Sigismund Freiherr von Elverfeldt-Ulm: Sollen die Aufnahmebedingungen adliger Familienverbände mit dem historischen Adelsrecht übereinstimmen?, in: Deutsches Adelsblatt. Mitteilungsblatt der Vereinigung der Deutschen Adelsverbände (Kirchbrak), Jahrgang 41, Ausgabe Nr. 7 vom 15. Juli 2002, Seite 172-176 (betrifft die kontroverse Diskussion um die Frage, ob sogenannte „nichtadelige Namensträger“ Mitglied eines sogenannten „adeligen“ Familienverbandes werden sollten oder dürften, enthält zudem ein Plädoyer für die Nichtzuerkennung von aktivem und passivem Wahlrecht in Familienverbänden „des Adels“ für „Lebensabschnitts-PartnerInnen“, Adoptierte und uneheliche Kinder unter weiterer Berücksichtigung des historischen Adelsrechtes).
  • [43] = Siehe dazu Nomen Nescio: Lord oder Lady zum Schnäppchenpreis. In Schottland kann man für ein paar Euro einen Adelstitel kaufen oder ist das nur Touristennepp?, in: Aachener Nachrichten (Aachen), Ausgabe vom 23. August 2018, Seite 5; Britta Hinkel: Mit Tricks zum Adelstitel. Der Graf aus dem Internet bringt im wahren Leben nur Probleme und keinerlei Ruhm, in: Thüringer Allgemeine (Erfurt) vom 10. April 2008, Seite 110 (enthält eine Stellungnahme von Maik Buhalu vom Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar als Experte für Namensrecht). Zum klassischen Adelsrecht siehe ferner Thomas Freiherr von Fritsch-Seerhausen: Adelsrecht, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang XXXV, Kirchbrak 1996, Seite 88-90 (betrifft unter anderem das Salische Recht und die Weitergabe des Adels im Mannesstamm); Heiner Baron von Hoyningen-Huene: Das historische Adelsrecht als Grundlage für den Adel heute, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang 59 (Westerbrak), Ausgabe Nr. 1 vom 15. Januar 2020, Seite 10-13 (ebenfalls zum Salischen Recht); Moritz Graf Strachwitz: Salisches Recht, in: Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des Adels, München: C. H. Beck 2005, Seite 213.
  • [44] = Dazu siehe Nomen Nescio: Die Vereinigung der Deutschen Adelsverbände gibt bekannt. Adelsrechtliche Voraussetzungen für die Aufnahme und Mitgliedschaft in den regionalen Adelsverbänden, in: Deutsches Adelsarchiv, Jahrgang XV, Melle 1959, Seite 170.
  • [45] = Hier hätte ein Lektorat mit historischer Quellenkritik gut getan; der Artikel verläßt sich nämlich nur auf die eigene Webseite desjenigen, der dieser Papiere im Internet verkauft.
  • [46] = Claus Heinrich Bill: Konzept des Adelsbegriffs „Un/doing Nobility“, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 4. Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg 2018, Seite 40-41 (als Gegenentwurf zum herkömmlichen statischen Forschungsmodell des „being nobility“, wie es in der Ausstellung größtenteils noch immer verwendet wird.
  • [47] = Gemäß Seite 211 sei der Freiherr die unterste Stufe der Nobilitierung gewesen, was nicht dem traditionellen adelsrechtlichen Verständnis entspricht, denn der Graf galt als der erste Grad des Hochadels, der Freiherr dagegen gehörte zum Niederadel, war aber andererseits auch nicht die erste Stufe des Niederadels. Siehe dazu Wencke Meteling: Freiherr, in: Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des Adels. Titel, Throne, Traditionen, München: C. H. Beck 2005, Seite 95, sowie Wencke Meteling: Graf, in: Ibidem, Seite 102.
  • [48] = Es muß hier zudem „zu“ und nicht „von“ lauten gemäß Fürstendiplom; siehe dazu Adelslexikon des Genealogischen Handbuches des Adels, Band XII, Limburg an der Lahn: C. A. Starke 2001, Seite 214.
  • [49] = Hier muß es nicht „oder“, sondern „und“ heißen.
  • [50] = Erhebungen in den Fürstenstand konnten nicht vom damit Beliehenen „in Auftrag“ gegeben werden, sie konnten höchstens beantragt werden. Siehe dazu Harald von Kalm: Das preußische Heroldsamt (1855-1920). Adelsbehörde und Adelsrecht in der preußischen Verfassungsentwicklung, Berlin: Duncker & Humblot 1994, Seite 72-79 („Der Verfahrensgang“).
  • [51] = Otto Titan von Hefner / Adolf Maximilian Ferdinand Gritzner /Ad. M. Hildebrandt: J. Siebmachers grosses und allgemeines Wappenbuch in einer neuen, vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage mit heraldischen und historisch-genealogischen Erläuterungen. Ersten Bandes dritte Abtheilung, Hoher Adel, I. Reihe. Die mediatisirten Fürstengeschlechter in Deutschland, Nürnberg: Bauer & Raspe 1878, Seite 86. Eine weitere Ungenauigkeit findet sich auf Seite 191. Die im Katalog so benannte Familie „Ostmann von der Leye“ heißt richtig „Ostman von der Leye“ mit einem „n“; siehe dazu den Eintrag zur Familie im (unter der Aufsicht des Deutschen Adelsrechtsausschusses von der Stiftung Deutsches Adelsarchiv im hessischen Marburg an der Lahn) herausgegebenen Adelslexikon des Genealogischen Handbuches des Adels, Band X, Limburg: C. A. Starke 1999, Seite 85-86. Überhaupt scheinen eher laienhafte Blasionierungen verwendet worden zu sein (ähnlich oberflächlich auch Seite 115). Die Verwendung einfacher heraldischer Beschreibungen wäre im Katalog indes durchaus opportun und verständlich gewesen, da vollständige Blasonierungen für heutige Rezipierende nicht besonders lesefreundlich sind. Allerdings hätte dazu ein kleiner Satz genügt, der darauf hinweist, daß Blasonierungen eine eigene Fachsprache darstellten, die ebenfalls zur adeligen Sozialisation und deren Beherrschung in gewissen Zeiten zum adeligen Habitus gehörte. Zu einem entsprechenden frühneuzeitlichen Lehrwerk siehe Christian Maximilian Spener: Die Alte wahre Heroldts-Kunst, Hat der Durchlauchtigen Hohen und Adelichen Jugend Bey Antretung seiner Profession Des Wahren Heroldts-Rechtes und Genealogie, In der Königl. Fürsten- und Ritter-Academie Hiemit kürtzlich entwerffen und recommendiren wollen Christian Maximilian Spener, des Königlich Preußischen Hoffes und Königlichen Academie Medicus, der Kayserl. Academie und Königlich Preußischen Societät der Wissenschafften Mitglied, Cölln an der Spree 1705, 4 Blatt und 36 Seiten. Zum Habitus als soziologischem Begriff siehe a) Monique de Saint Martin: Der Adel. Soziologie eines Standes [Band 8 der Reihe Édition discours], Konstanz 2003, 284 Seiten, b) Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (übersetzt von Bernd Schwibs und Achim Russer), Frankfurt am Main: Suhrkamp 28. Auflage 2021, 910 Seiten (Band 658 der Reihe „Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft“). Zur Blasonierung als (aristokratisierende) Wappenbeschreibekunst siehe Gert Oswald: Lexikon der Heraldik, Mannheim / Wien / Zürich: Meyers Lexikonverlag 1985, Seite 68-73 (Lemma „ Blasonierung“). Hinzu tritt eine weitere Ungenauigkeit auf Seite 190; der dort portraitierte Otto von V. (1869-1945) gehörte aus konventionell adelsrechtlicher Sicht dem Adel nicht an, sondern war Angehöriger und Vertreter einer Familie mit einem „von“ im Namen, die nicht dem Adel angehörte. Siehe dazu Bernhart Jähnig / Knut Schulz (Hg.): Festschrift zum 125jährigen Bestehen des Herold zu Berlin 1869-1994, Berlin: Herold 1994, Seite 287; Friedrich Carl Esbach: Das Wort „von“ als Adelsprädikat, in: Deutsches Adelsblatt, Jahrgang XXVI, Berlin 1908, Seite 4-5; Claus Heinrich Bill: Das Präfix „von“ im Namen und der Adel, in: Institut Deutsche Adelsforschung (Hg.): Bildatlas zur deutschen Adelsgeschichte 3. Adelsgrafiken als Beitrag zur komplexreduzierten Aufbereitung von für die Adelsforschung dienlichen Theorien und Modellen, Sonderburg: Selbstverlag Institut Deutsche Adelsforschung 2017, Seite 2-3. Demnach gab es Adelsfamilien mit einem „von“, Adelsfamilien ohne ein „von“ sowie Nichtadelsfamilien mit einem „von“ im Namen; der Normalfall der Nichtadelsfamilien ohne „von“ ist hier im Fall „von V.“ nicht erwähnenswert.
  • [52] = Der Ausstellungsarchitekt dagegen hatte stattdessen die Assoziation, daß er die vordringlichste Aufgabe des Adels – dieser sei von einem (nicht näher benannten Akteur) dazu verpflichtet gewesen in der Repräsentation nach außen sah. Diesen Umstand als wichtigsten und prägendsten Aspekte „des Adels“ aufgreifend sollten Symmetrie und Wiederholung die maßgeblichen Motive bei der Ausstellungsplanung gewesen sein (Seite 17).
  • [53] = Dazu siehe weiterführend Frank Hillebrandt: Die Soziologie der Praxis als poststrukturalistischer Materialismus, in: Hilmar Schäfer (Hg.): Praxistheorie. Ein soziologisches Forschungsprogramm, Bielefeld: Transcript 2016, Seite 71-93.
  • [54] = Hilfreich wäre es hier gewesen, weniger bidisziplinär (kunst-) historisch (die drei leitenden Kuratorinnen der Ausstellung sowie die Haupttexter*innen des Katalogs sind laut ihren im Gemeinsamen Bibliotheksverbund der norddeutschen wissenschaftlichen Bibliotheken ausgewiesenen höchsten akademischen Qualifikationsarbeiten von Hause aus spezialisiert auf regionale Eisenbahngeschichte, literaturhistorische Genderforschung und die Kunstgeschichte von Naturdämonen), sondern eher kulturwissenschaftlich und interdisziplinär auf das Thema zu schauen. Ausstellung und Katalog sind daher „nur“ durch Historiker und Kunsthistoriker, nicht aber durch Sozialwissenschaftler oder Vertreter*innen der Historischen Sozialforschung oder Sozialgeschichte erstellt worden (obzwar „der Adel“ eine genuin soziale Tatsache ist), entsprechend verengt und verüblicht erscheinen die Ergebnisse und Erkenntnisse. Hinzuweisen wäre aber auf die neuen Perspektiven, die sich durch durch einen poststrukturalistischen Materialismus ergeben hätten. Siehe dazu Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010, 488 Seiten. Dazu gehört, die Dinge von ihrem bisher wahrgenommenen und sie degradierenden Objektcharakter zu befreien und ihnen einen „Sobjektcharakter“ (Krajewski spricht, etwas verunglückt, von „Quasi-Objekten“) zuzugestehen, dazu gehört aber auch der Ansatz, den praktischen Vollzug von Adel seine Erzeugung und „Produktion“ als eine soziale Zuschreibung nicht als Folge, sondern als Ursache und praktisch wie performativ vollzogene Hybridität der vielfältigen an der Adelserzeugung beteiligten im/materiellen Human- und Nichthuman-Aktanten zu betrachten. Dazu siehe Frank Hillebrandt: Die Theoriebezüge einer Soziologie der Praxis. Poststrukturalistischer Materialismus, in: Soziologische Praxistheorien. Eine Einführung, Wiesbaden: Springer VS 2014, Seite 31-56; Markus Krajewski: Quasi-Objekte, in: Harun Maye / Leander Scholz (Hg.): Einführung in die Kulturwissenschaft, München: Wilhelm Fink 2011, Seite 156-160; Reinhard Rürup (Hg.): Historische Sozialwissenschaft. Beiträge zur Einführung in die Forschungspraxis, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1977, 161 Seiten. Tatsächlich sind Ansätze zu einer Neusicht in der Ausstellung vorhanden, so etwa, wenn Seite 31 bei der Besprechung des Zeremonialschwertes des Frauenstifts Essen von der Performance gesprochen wird, die mit diesem Schwert bei Weiheakten vollzogen worden sei; gleichwohl fehlt jeder theoretische Hintergrund, der diesen praktischen Einsatz bei der Adelserzeugung einordnen würde. Ein Gegenbeispiel unter vielen ist die Beschreibung eines Deckelpokals (Seite 129); dort wird lediglich erörtert, wie er aussah, woher er kam und wem er gehörte.
  • [55] = Dazu siehe abschließend Rudolf Braun: Konzeptionelle Bemerkungen zum Obenbleiben. Adel im 19. Jahrhundert, in: Rudolf Braun: Von den Heimarbeitern zur europäischen Machtelite. Ausgewählte Aufsätze, Zürich: Chronos 2000, Seite 191-199; Silke Marburg / Josef Matzerath: Vom Obenbleiben zum Zusammenbleiben. Der Wandel des Adels in der Moderne, in: Walther Schmitz / Jens Stüben / Matthias Weber (Hg.): Adel in Schlesien, Band 3 (Adel in Schlesien und Mitteleuropa. Literatur und Kultur von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart), München: Oldenbourg 2013, Seite 299-311; Nomen Nescio (Hg.): Heine‘s Reisebilder, Band 3, Hamburg: Hoffmann & Campe 1828, S. 58-59.
 

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