Institut Deutsche Adelsforschung
Gegründet 1993
Online seit 1998


Start | Sitemap | Tipps | Anfragen | Publikationen | Neues | Über uns | AGB | Impressum


Die Gutshausretter aus der Fernsehserie "Mit Mut, Mörtel und ohne Millionen"

Band 2 der Bücher zur Serie des norddeutschen Rundfunks erschienen
 
Der Verfasser der Einleitung zum Band 2 zur mehrteiligen Fernsehserie „Mit Mut, Mörtel und ohne Millionen“, diesmal mit dem Untertitel „Abenteuer Baustelle. Von Gutshausrettern und guten Handwerkern“ vermerkte; „Gutshäuser sind nicht nur schillernde Monumente der Baukultur […] Heute wirken sie manchmal wie jene schwarzen Löcher im Weltall, die Astrophysiker so begeistern. Die alles in sich aufsaugen, was ihnen zu nahe kommt. Unmengen an Geld und Energie fließen in sie hinein, ohne dass man die je wiedersieht. Die Gravitation der Gutshäuser wirkt besonders stark auf Individualisten, Charakterköpfe, Wagemutige und Risikofreudige“ (Seite 11). [1]

Dies ist ein bemerkenswertes Bild, das bemüht wird, und es ist nachvollziehbar. Dazu notierte ein Anonymus (1814) in einem ähnlichen Fall, auch wenn hier kein adleiges Herrenhaus im Fokus stand, sondern ein Mensch oder vielmehr ein Soziotyp und eine soziale Rolle: „Den Criminalgerichtshof zu Paris beſchäftigte in einer der letzten Sitzungen folgender Fall, wobei das Journal de Paris, welches denſelben erzählt, die Bemerkung macht, daß zuweilen in den Criminalgerichten Fälle vorkämen, welche mit Umſtänden begleitet wären, die die Richter nöthigten, ihre Würde faſt zu übertreiben, um nur genug zu behaupten, und wo nur die der Heiligkeit des Ortes ſchuldige Achtung das Lachen zurückhalte, weil ſie bei dem Angeklagten mehr Tollheit oder Unverſtand, als ſittliches Verderben vorausſetzten. Ein junger Menſch von 18 Jahren, Sergeant Major unter den Tirailleurs eines Regiments der alten (ehemals kaiſerlichen) Garde, entkommt wie durch ein Wunder der völligen Vernichtung ſeines Corps in der Schlacht bei Brienne. Da er ſich nun nicht wieder der Rettung durch ein ähnliches Wunder vertrauen wollte, kehrte er zu ſeinem Vater nach Paris zurück, der aber aller Wahrſcheinlichkeit nach ihn nicht hinreichend mit Geld verſorgte, um ſeinen verſchwenderiſchen Müßiggang zu nähren.

Er ward es bald überdrüßig, der Sohn eines ſparſamen Bürgers zu ſeyn; er wollte in eine vornehmere und reichere Familie übergehen; aber was ſollte er ſich für Verwandte geben? Wenn man die Wahl hat, ſo müßte man ſehr einfältig ſeyn, wenn man nicht die allerbeſte treffen ſollte. Er gab der Familie Romanow den Vorzug, deren Oberhaupt niemand anders iſt, als Se. Majeſtät der Kaiſer Alexander. Es war gerade zu der Zeit,wo dieſer Monarch die Aufmerkſamkeit von ganz Europa auf ſich zog. Joſeph Wallerſtein (ſo hieß der Held der Gesſchichte und der Angeklagte in dem Prozeſſe) ſetzte ſich in den Kopf, der Neffe dieſes Monarchen zu werden. Er verſtand etwas deutſch, hatte den Feldzug in Rußland mitgemacht, beſaß Kühnheit und ſo hatte er alles, was man bedarf, um der Leichtgläubigkeit einfältiger Menſchen zu imponiren. Er verließ ſogleich die Straße Dü Four St.Honoré, den Aufenthaltsort ſeines zum gemeinen Volke gehörigen Vaters, und zog zu Galiſeau, einem Speiſe­wirth, auf den Boulevard du Mont Parnaſſe, unter dem Namen eines Barons oder Grafens von Knuburusky, Kandurusky, Padorosky, Oberſten unter den regulären Koſaken, Commandanten der Friedbergiſchen Jäger, Adjutanten des ruſſiſchen Kaiſers und des Fürſten von Schwarzenberg, denn er vermengte auf die ſeltſamſte Weiſe alle dieſe Eigenſchaften, welche er bald zuſammen, bald jede beſonders, anzunehmen pflegte; allein der Titel, auf den er mit Recht den meiſten Werth legte, war der eines Nef­fen des Kaiſers Alexander, und dieſen legte er auch niemals ab. Er machte in dieſem Hauſe die Bekanntſchaft meh­rerer Perſonen, denen er ſeinen mächtigen Schutz verſprach: beſonders beehrte er mit ſeinem Wohlwollen einen jungen Studenten der Rechte, Namens Sullinger, der ſich ſehr glücklich ſchätzte, dem Fürſten ein Paar Piſtolen zu überreichen, welche ihm zu gefallen ſchienen und welche beſſer für einen Koſakenoberſten, als für einen angehenden Advokaten paßten. –

Der neue ruſſiſche Fürſt fuhr in Paris in einem Miethwagen herum, den er zu bezahlen vergaß; auch ſchickte er die Tuchhändler, Hutmacher, die Zuckerbäcker und Conditors (denn Ihre Durchl. waren ſehr lecker) zu ſeinem Schatzmeiſter. Endlich bekam er Luſt, das Invalidenhaus zu beſuchen. Trotz ſeines einfachen Anzugs (er trug einen grünen Oberrock, der an den alten blauen Rock Friedrichs des Großen erinnerte), trotz ſeines nicht glänzenden Gefolges, welches in einem einzigen Bedienten beſtand (er liebte den Prunk nicht), wurde der Neffe Alexanders von dem Generalſtabe der Invaliden auf eine ſeinem Range und dem Namen ſeines Onkels angemeſſene Weiſe empfangen. Man zeigte ihm den Dom und alles was die Anſtalt Merkwürdiges hat; er ging in den Speiſeſaal, trank auf die Geſundheit der Tapfern, welche dies durch die Geſundheit des ruſſiſchen Kaiſers erwiederten; er nahm einen Orden aus ſeinem Knopfloche und überreichte ihn dem Offizier, der Bedenken trug ihn anzunehmen; allein der Prinz befahl und der Offizier gehorchte.

Ein anderer Offizier nahm aus einer ſilbernen Doſe Tabak; er bat um eine Priſe und bemächtigte ſich der Doſe; ‚ich wünſchte ein Andenken von einem tapfern Manne zu beſitzen‘, ſagte er; ‚erlauben Sie mir dieſe ſilberne Doſe durch eine goldene zu erſetzen!‘ und proviſoriſch ſteckte er die Doſe des tapfern Mannes, der über ſo viel Grazioſität ganz erſtaunte, in die Taſche. Ich möchte gern, fuhr er fort, zu dem General ſich wendend, den achtungswürdigen Kriegern Beweiſe meiner Freigebigkeit hinterlaſſen. – Es iſt ihnen ausdrücklich verboten, Etwas anzunehmen. – Ueberdies wünſchte ich auch Einiges zu kaufen, ich habe aber nur ruſſiſches Papier, zeigen ſie mir doch einen Wechsler! – Ich kenne keinen, verſetzte der Ge­neral, und bot ihm zugleich ſeine Börſe an! – Sie wurde  angenommen, ob ſie gleich nicht mehr als 20 Goldstücke enthielt […]“. [2]

Was sich hier zeigt, war der Umstand, den auch schon der Autor in der Einleitung des Gutshausrettenden-Buches beschrieben hatte, lediglich dort abhebend auf das Gebiet der Astrophysik. Boltanski (2017) nannte dieses Phänomen „Enrichissement“. [3] Anders besehen könnte man auch sagen: Hinreichend eng und relativ dauerhaft geknüpfte Netzwerke aus Menschen, Vorstellungen und Dingen besaßen eine Anziehungskraft, die sich dahingehend auswirkte, einen Kern um weiter als zugehörig Empfundenes anzureichern, nicht aus sich selbst heraus, aber aufgrund der Betrachtung und Handlung durch menschliche Akteur*innen aus den sozialen Umwelten. [4] Bei der Strafe des Prangers hatte diese „Anreicherung“ – im Charakter einer „Abreicherung“ – einen negativen Effekt auf Delinquenten, mußten sie doch durch die Straßen einer Stadt gehen, mit Schildern angetan, die sie als „böse“ etikettierten. [5] Diese Delinquenten wurden dann beworfen, mit Exkrementen, Schimpfworten, kleinen Steinen oder sie wurden bespuckt, herabgewürdigt und beschimpft; [6] soziale Umwelten reicherten den als Missetäter und Außenseiter Etikettieren weiter um negative Sanktionen an.
 
Aber „Anreicherung“ konnte auch im positiven Sinne geschehen, zur Vervollständigung eines Stereotyps, wie sie im Fall des Joseph Wallerstein aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts im Bereich der Adelsgeschichte eindrücklich zu beobachten war. Denn nicht etwa allein der Avantürier, der Abenteurer, der Talmikavalier Wallerstein war für die Anreicherung als Adeliger verantwortlich, sondern es waren vor allem seine sozialen Umgebungen, die seine Initiierung als vermeintlicher (zumindest diskursiv angenommener) Elitenangehöriger vollendeten und vervollständigten. Dieses Phänomen gemeinsamer Erzeugung machte sich auch bei den mecklenburg-vorpommerschen „Gutshausrettern“ bemerkbar, wie nun im zweiten Begleitband zur Fernsehserie des Norddeutschen Rundfunks offenbar wird. [7]

Der in dem Band unter anderem vorgestellte Gutshausretter Philipp Kaszay beispielsweise konnte durch die Anreicherung an Zuschauern durch die Fernsehserie seinen ehemaligen Adelssitz Kobrow nicht nur zu einem der beliebtesten Orte bei einem internationalen Graswurzel-Tourismusportal machen (Seite 39), sondern auch über eine internetbasierte Sammelspende eine Treppe ins Turmzimmer finanzieren, bekam für das Turmzimmer passende Stilmöbel geschenkt. [8] Seit genau einer Dekade renoviert er das ehemals der mecklenburgischen Uradelsfamilie v.Bülow gehörende Gutshaus Kobrow und sein Fleiß und seine Beharrlichkeit – gegen zahllose Widerstände – zahlte sich aus; mithilfe neuer Übernachtungsgäste konnte er einen einmaligen Ort erschaffen, der schon als verloren galt, für den sich niemand interessierte, da er Alltag geworden war, verlassener Alltag, zumindest für die Einheimischen, wenn auch dies nicht ganz stimmt, denn Vorausschauende hatten die Fenster herausgenommen, abgestellt im Haus; vielleicht, so dachten sie sich möglicherweise, käme später jemand, der diese Fenster noch gebrauchen könnte. Und tatsächlich konnte das Haus gerettet werden, kann als gerettet gelten, wurde ein einmaliger Ort wiedergeboren, wenngleich anders als er je früher gewesen war.

Einfühlsam indes beschreibt der Verfasser des Begleitbuches zur Serie mehrerer solcher Geschichten, indes anders als im ersten Bande. Standen dort vor allem die Gutshausrettenden selbst im Fokus, widmet sich der Band jetzt auch den Handwerkenden, die im Hintergrund tätig waren. Dazu zählen Tischler und Zimmerleute, die auf alte Techniken und Materialien spezialisiert waren (Seite 42-49), Lehmputzer statt Zementbauer (Seite 118-125), Dendrochronologen, die mithilfe technischer Mittel das alter in Holzerzeugnissen bestimmen konnten, indem sie Wachstumsringe bestimmten und mit einer aus Erfahrungswerten gewonnenen Großskala abglichen, um so festzustellen, wann ein Baum gefällt wurde (Seite 88-97), aber auch ehemals am Leben durch eine Suchterkrankung Verzweifelnde, die durch die Mithilfe bei der freiwilligen Gutshausrenovierung wieder einen neuen Lebenssinn gefunden hatten (Seite 64-69). Alle diese Geschichten werden erzählt, mit durchaus meisterlicher Feder, schildernd eine Mischung aus Fiktivem und Faktivem, aus Daten und erdachten Stimmungen, Emotionen und Abschweifungen, auch ohne jede Quellenangabe.

Dennoch ist das Werk auch wissenschaftlich als Quelle interessant, als Mischung und Beispiel aus und für „Public History“ von Nichthistoriker*innen, als „Geschichtsmarketing“, als emotionale Reise, als „Vergangenheitsbewirtschaftung“ [9] – und nicht zuletzt als Heldenreise. Denn der Verfasser besticht durch seine Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, die erzähltheoretisch der Heldenreise Campbells ähnlich, [10] ihre Grundform nachahmen: Ein Held zieht gegen anfängliches Widerstreben aus, ein Abenteuer zu erleben, zu dem er einen Ruf erhält (ein „altes Haus“ zieht ihn an). Er nimmt den Ruf schließlich an, muß zahlreiche „Schwellenhüter“ überstehen, scheitert oft, doch nicht letztlich, bevor er dann schließlich „das Böse“ besiegt, „das Gute“ schafft, das Haus „rettet“. Seine Aufgabe ist erfüllt. Es sind daher in der Fernsehserie wie in den zugehörigen Büchern auch Geschichten, die immer wieder vom kleinen Scheitern erzählen, doch nie so ganz.

Man kann nur Mußmaßungen darüber anstellen, warum einige der früher in der Serie vorkommenden Protagonist*inne nun nicht mehr erwähnt werden, andere dagegen wieder auffällig oft in mehreren Kapiteln vorkommen. Sind die anderen endgültig „gescheitert“, haben aufgegeben? Vermutlich dürften dabei etliche Protagonist*nnen sein, die ihr Haus vorläufig und auf Jahrzehnte hinaus zunächst einmal grundlegend fertig renoviert haben, in den Alltagsbetrieb übergegangen sind, keinen Heldenreise mehr anbieten können. Denn solche Erzählungen – Narrative der Endgültigkeit – sind dann letztlich weder in der Serie noch im Buch mehr zu finden, jedenfalls nicht in Form endgültigen Scheiterns oder Erfolges. Endgültig gescheitert an ihren Plänen sind nur die Anderen, die Unbekannten, obschon das Werk von kleinen Momenten des Scheiterns – und Wiederaufraffens – voll ist. Doch das möchten Menschen hören; sie – jene Moment des Fastscheiterns – gehören zum Erzählen guter Geschichten dazu.

So ist der Band daher eine ebenso vergnügliche wie anrührende Ansammlung von persönlichen Geschichten, deren Ende noch lange nicht auserzählt worden ist. Der Norddeutsche Rundfunk wird wohl auch daher in den kommenden Jahren wieder je eine Folge pro Kalenderjahr abdrehen, mit alten und neuen Protagonist*innen, die ihre ganz persönliche Heldenreise erleben, denen die Zuseher*innen als Unbeteiligte über die Schulter sehen können. [11] Aber Rezipierende der Serie können die Gutshausrettenden auch unterstützen, indem man ihre Ferienwohnungen mietet und sich selbst überzeugt vom Aufbauwillen und vom Durchhaltevermögen, alte Häuser zu retten und neu zu beleben.

Nicht zuletzt sind daher auch die Feriengäste zu einem – nicht unwichtigen –  Teil des die Häuser erhaltenden Netzwerkes aus Menschen, Vorstellungen, Filmen, Büchern, Diskursen und Dingen geworden. Auch sie kommen bisweilen in den Filmen und den beiden Büchern vor. Der zweite Band enthält viele Hintergrundgeschichten, die im Film nicht erzählt worden sind oder dort nur angerissen erscheinen, garniert mit stimmungsvollen Illustrationen und neuen Portraits, in bewährt schöner Haptik vom Hinstorffverlag in Rostock verlegt. Insgesamt liegt daher mit dem zweiten Band ein ebenso informatives wie unterhaltendes Supplement zur Serie vor, das eine vertiefende Lektüre mit reichhaltigen (noch weitgehend unbekannten) Seitenblicken dieser Reise in und mit den alten Herrenhäusern und „ihren“ Menschen ermöglicht. Es ist daher anzunehmen, daß das Konzept und Prinzip der Anreicherung nach dem Matthäus-Effekt [12] auch weiterhin stattfindet, denn allein die Beobachtung dieses Prozesses fasziniert hinreichend, sei es bei Menschen wie Wallerstein oder bei alten Häusern und ihren Menschen wie in Mecklenburg-Vorpommern.
                                               
Diese Rezension stammt von Dr. phil. Claus Heinrich Bill, M.A., M.A., M.A., B.A., und erscheint zugleich in der Zeitschrift für deutsche Adelsforschung in gedruckter Form.

Annotationen:
  • [1] = Steffen Schneider: Mit Mut, Mörtel und ohne Millionen, Band 2 (Abenteuer Baustelle. Von Gutshausrettern und guten Handwerkern“), erscheinen 2021 im Hinstorff-Verlag zu Rostock in erster Auflage, 125 Seiten, mit zahlreichen schwarzweißen und farbigen Illustrationen und Karte, Maße: 24,5 cm x 17 cm, ISBN: 978-3-356-02373-2, Preis: 20,00 Euro.
  • [2] = Nomen Nescio: Ein drolliger Untersuchungsfall, in: Zeitung für die elegante Welt (Berlin), ausgabe Nr.203 vom 13. Oktober 1814, Spalte 1617-1620.
  • [3]= Luc Boltanski / Arnaud Esquerre: Enrichissement. Une critique de la marchandise, Paris: Gallimard 2017, 663 Seiten; Luc Boltanski / Arnaud Esquerre: Enrichment. A critique of commodities (translated by Catherine Porter), Cambridge / Medford: Polity 2020, XVII und 471 Seiten; Luc Boltanski / Arnaud Esquerre: Bereicherung. Eine Kritik der Ware (aus dem Französischen übersetzt von Christine Pries), Berlin: Suhrkamp 2018, 729 Seiten.
  • [4] = Generell zum „Reassembling the Past“ siehe Marian Füssel / Tim Neu (Hg.): Akteur-Netzwerk-Theorie und Geschichtswissenschaft, Paderborn: Brill & Ferdinand Schöningh 2021, VI und 298 Seiten.
  • [5] = Dazu siehe Grete Bader-Weiss / Karl Siegfried Bader: Der Pranger. Ein Strafwerkzeug und Rechtswahrzeichen des Mittelalters, Freiburg im Breisgau: Waibel 1935, VIII und 232 Seiten sowie, in neuerer Einordnung Richard van Dülmen: Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale in der frühen Neuzeit, München: Beck 1985, 240 Seiten.
  • [6] = Sebastian Knott: Bei der Ehre gepackt! Die Ehrenstrafe in Bayern seit 1700, Regensburg: Friedrich Pustet 2006, Seite 45.
  • [7] = Nicht zuletzt das Fernsehen und die Fernsehserie gehörten mit zum Netzwerk der Menschen, Bilder und Dinge. Das wird auch daran deutlich, daß die Fernsehmachenden auch dann etwas filmen wollten, wenn es nichts gab, was für sie hinreichend interessantes erschien. So wurden schon einmal künstlich zwei Handwerker beauftragt, die einen Raum in einen neuen Zustand versetzten (Seite 38 linksspaltig).
  • [8] = Bei anderen Gutshausrettenden brachten Besuchende historische Stiche mit Hausbezug vorbei und trugen so zur Anreicherung bei (Seite 17).
  • [9] = Dazu siehe weiterführend Christoph Kühberger / Andreas Pudlat (Hg.): Vergangenheitsbewirtschaftung. Public History zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, Innsbruck / Wien / Bozen: Studienverlag 2012, 218 Seiten.
  • [10] = Joseph Campbell: Der Heros in tausend Gestalten (aus dem amerikanischen Titel „The hero with a thousand faces“ übersetzt ins Deutsche von Karl Koehne), Berlin: Inselverlag 2019, 6. Auflage 2019, 494 Seiten (Band 4073 der Schriftenreihe „Insel-Taschenbuch“), erstmals erschienen von Joseph Campbell: The hero with a thousand faces, New York: Pantheon 1949, XXIII und 416 Seiten.
  • [11] = Jedoch fragt es sich, wie viele und welche Szenen der Filmserie eigentlich als filmisches Beobachten von real Geschehenem oder als Inszenierung abgelaufen sind. Hier sind etliche Inkongruenzen bemerkbar, die das Bild von nebulös auftretender Authentizität stören. Nicht nur die Titelbilder der Begleitbände erscheinen allzu stereotypisch inszeniert, auch manche Szenen wirken wie gestellt, künstlich herbeigeführt. Deutlich wird dies unter anderem, um ein Beispiel zu benennen, an einer Szene in der neuesten Folge, ausgestrahlt 2022 (Untertitel: „Neue Abenteuer in alten Herrenhäusern“), das Jahr 2021 behandelnd, und einer Inbeziehungsetzung zu widersprüchlichen Angaben im Buch (Seite 101). Dort heißt es, daß zwei Gutshausretter eine Recherche nach einer Familie durchgeführt hätten und einem der beiden Protagonisten sei „da was eingefallen“, nämlich, daß er über die Familie „mal was gelesen“ habe. Im Film dann aber sah der Betreffende stattdessen im Adelslexikon des Genealogischen Handbuches des Adels (Band VII, Limburg an der Lahn: C. A Starke, Seite 172) nach, wo ein Verweis auf ein genealogisches Reihenwerk von 1982 stand. Diese Inkongruenzen trüben etwas den Eindruck, man sei als Zuseher*in mehr oder minder live dabei, wie die Gutshausrettung vor sich gehen würde. Da der Autor sehr geschickt, wie er in dem zweiten Begleitband zeigt, historische Realität mit Stimmungen und erfundenen Schilderungen hybridisiert und ausschmückt, wobei er die einzelnen Teile nicht kennzeichnet, ist die Gefahr inszenierter Szenen groß, deren genauer Anteil sich indes nicht näher bestimmen läßt, da dies zu den vom Autor und Produzenten klandestinierten Vorgängen gehört. Nicht zuletzt wegen dieser Opakheit wird man sich die Frage stellen müssen, welche Art von Medium der Film und die Begleitbücher darstellen. Sie scheinen allein Mittler von einem transportierten Inhalt nicht zu sein, sondern wurden als aktive und handlungsmächtige Akteur*innen eingesetzt, die selbst eine eigene Wirklichkeit erzeugten, etwas tatsächlich Geschehenes veränderten. Man wird sich daher von der Vorstellung verabschieden müssen, daß Film und Buch nur beobachten würden; es handelt sich wohl weniger um eine Dokumentation, sondern eher um „Dokutainment“. Siehe zur Problematik indes weiterführend Martin Buchsteiner / Martin Nitsche: Zeitreisen des NDR. Dokutainment oder regionalgeschichtliche Unterrichtsfilme zur Förderung eines reflektierten Geschichtsbewußtseins?, in: Geschichtswerkstatt Rostock (Hg.): Zeitgeschichte regional, Band 17, Rostock 2013, Heft Nr. 1, Seite 82-88, sowie Rosmarie Ines Bundz: Die Wahrheit intelligent erzählen. Die Ethik des Dokutainment. Eine Untersuchung von Frauentausch, We are Family und Super Nanny, in: Communicatio socialis, Band 45, Baden-Baden: Nomos 2012, Heft Nr. 4, Seite 396-418. Anderseits kann auch gesagt werden, daß filmische Zeugnisse stets parteiisch seien, allein wegen der Lenkung des Blicks und der Perspektive, wovon sich auch wissenschaftliche historische Darstellungen nicht ausnehmen können: Perspektive verengt, wählt aus, läßt nicht Betrachtetes aus und rekonstruiert damit immer nur einen Ausschnitt aus tatsächlich Geschehenem. Gleichwohl besteht noch ein Unterschied zwischen reflexiv gewählter Perspektive und künstlicher Szenenerzeugung in Film oder Buch. Problematisch wird diese Kulturpraktik indes dann, wenn sie allgemein geschichtsbild-erzeugend auftritt, da sie dann „Bilder“ hervorbringt, die sich gegebenenfalls, bei entsprechender Beliebtheit eines medialen Formats oder einer Serie, weit verbreiten.
  • [12] = Dazu siehe Barbara Hönig: Matthäus-Effekt, in: Christian Fleck / Christian Dayé (Hg.): Meilensteine der Soziologie, Frankfurt am Main: Campus 2020, Seite 456-462.


©  Institut Deutsche Adelsforschung - Quellenvermittlung für Wissenschaft, Familienforschung, Ahnenforschung | Seitenanfang